Ansprechendes zweites Sinfoniekonzert widmet sich Wiener Komponisten - Gießener Anzeiger

26.09.2011

Ansprechendes zweites Sinfoniekonzert widmet sich Wiener Komponisten

Einen Abend im Zeichen der Wiener Komponisten erlebten die Besucher des zweiten Sinfoniekonzerts im Gießener Stadttheater. Dabei zeigten sowohl das Philharmonische Orchester als auch die Solisten teils durchwachsene Leistungen. Und Anton Webern, so scheint es, ist nach fast hundert Jahren immer noch nicht beim Publikum angekommen.
Mit „Wiener Meisterstücke“ hatte das Stadttheater seinem zweiten Sinfoniekonzert den thematischen Rahmen gegeben. Mozart, Mahler und Schubert bildeten den musikalischen Kern, in dem sich die Musiker hörbar zu Hause wussten. Anton Webern, mit seiner Sinfonie op.21 sperrig dazwischen gesetzt, stellte hingegen nicht durchweg beliebte Anforderungen an Musiker und Hörer.
Den Auftakt des musikalisch dennoch gelungenen Abends machte Symeon Rizopoulos am Fagott. Der Musikstudent der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst konzertierte mit dem zweiten und dritten Satz des Fagottkonzerts B-Dur (KV 191) von Wolfgang Amadeus Mozart. Nach dem Andante-Auftakt kam Rizopoulos dabei erst im dritten Satz richtig in Schwung, spielte souverän, blieb im Ausdruck jedoch zu zaghaft.
Für hörbares Getuschel und reichlich zurückhaltenden Applaus sorgte im Anschluss Anton Weberns Sinfonie op.21. 1928 komponiert, ist diese zweisätzige Sinfonie Weberns erstes Orchesterwerk, das sich streng an der in der zweiten Wiener Schule entwickelten Zwölftontechnik orientiert. Unerbittlich in ihrer Radikalität und unter Ausschaltung der Tonalität verwehrt dieses Werk auch heute noch eine emotionale und umfassende Publikumsteilnahme. Musik, die vor fast einhundert Jahren mit ihrer expressiven Verdichtung, klanglichen Nacktheit und dem formalen Gerüst völlig fremd anmutete, bleibt dies für große Teile des Publikums auch heute noch. Auch die Musiker des Philharmonischen Orchesters schienen musikalisch wenig zu Hause. Das fragile Zusammenspiel der Einzelstimmen, die die tradierten Formprinzipien verschlüsselt wahrnehmbar machen, war gerade im ersten Satz zu bruchstückhaft, um ein stimmiges Klangbild zu ergeben.
Kantable Melodien
Florian Ziemen, der im weiteren Verlauf einen positiven, wenn auch unauffälligen Eindruck hinterließ, und die Reihe der zahlreichen Gastdirigenten in dieser Spielzeit eröffnete, schien mit seinen Musikern nicht den richtigen Ton zu treffen. Die Variationen im zweiten Satz, von Webern dichter komponiert, gelangen hingegen sehr viel besser.
Der Sprung von Mozarts Fagottkonzert, dem Gehör mit seinen kantablen Melodien und einfacher Form schmeichelnd, stellte eine Herausforderung dar, die nicht durchweg goutiert wurde. Zurück zu Mozart ging es mit dem Konzert für Flöte und Harfe in C-Dur (KV 299). Im April 1778 in Paris entstanden, zeigt sich die Wiener Klassik hier in ihrer vollen Leichtigkeit und Spielfreude. Den „Pariser Stil“, den der junge Mozart in diesem Werk gekonnt aufgreift, verbindet er mit kontrastreichen Dialogpassagen der Soloinstrumente, die sich immer wieder in virtuosen Kadenzen verstricken. Die beiden Solistinnen Carol Brown (Flöte) und Hye-Jin Kang (Harfe) zeigten eine starke Leistung. Das Gießener Publikum ließ sie vor der Pause nicht ohne eine kleine Zugabe von der Bühne.
Nach der Pause hatte das große Orchester Platz genommen. Mahler und Schubert sollten nun erklingen und der Wiener Romantik gebührenden Platz einräumen. Gustav Mahlers später aus seiner 1. Sinfonie herausgestrichene „Blumine“ bezeichnete er selbst als „zu sentimental“, die Kritik der Zeit sogar als „trivial“. In ihrer lyrischen Qualität und in den Solo-Passagen war das Stück jedoch ein gelungener Auftakt zum zweiten Teil des Sinfoniekonzerts und eine gelungene Vorbereitung für Franz Schuberts 7. Sinfonie, die als „Unvollendete“ in die Musikgeschichte einging.
Das Philharmonische Orchester und der Dirigent Florian Ziemen ließen deutlich hören, dass sie sich in diesem Werk aufgehoben fühlen. Mit großer Präsenz und dynamischem Ausdruck, in dem sich das Orchester nie von der romantischen Poesie und lyrischen Melodik überwältigen ließ, setzten den Schlusspunkt des ansprechenden Sinfoniekonzerts, welches das Publikum nach der Webernscher Dissonanz doch noch zu besänftigen wusste. Christoph Pramstaller, 22.09.2011, Gießener Anzeiger