Drama um die Liebe- Rossinis Oper "Wilhelm Tell" feiert Premiere im Stadttheater - Wetzlarer Neue Zeitung

06.06.2012

Drama um die Liebe
Rossinis Oper "Wilhelm Tell" feiert Premiere im Stadttheater

Ein Volksheld, eine Liebesgeschichte, heldenhafte Freiheitskämpfe, ein übler Tyrann, der am Ende seine verdiente Strafe bekommt: Die Oper "Wilhelm Tell" nach dem Drama von Schiller bietet alles für ein großes Bühnenerlebnis und genau das ist dem Stadttheater Gießen gelungen.

Die Premiere von Rossinis Belcanto-Oper war eine konzertante Aufführung des sperrigen Werks, gekürzt auf ein angenehmes Maß von drei Stunden Aufführungsdauer.
Das Publikum erlebte im gut gefüllten Theater eine beachtliche Leistung von Ensemble, Chor und Orchester. Die Dramatik des Geschehens blieb allerdings völlig auf der Strecke. Nach der beherzt gespielten Ouvertüre wurde es im ersten Akt erst einmal schön, aber langatmig. Chor und Extrachor des Stadttheaters standen hinter dem Orchester. Vor den beeindruckenden Menschenmassen standen die Solisten in Abendgarderobe aufgereiht.

Kräftiger Zwischenapplaus und auch Bravorufe für Elisa Cho
Adrian Gans war ein stimmgewaltiger Tell, bei dem man sich ein wenig mehr Zurückhaltung gewünscht hätte. Den Arnold sang Adrian Xhema, der neben der brillanten Elisa Cho ein fast ebenso brillanter Liebhaber war, als er das ergreifende Liebesduett "Ja, du entreißest meiner Seele" mit ihr sang.
Elisa Cho bekam für ihre brillante Darbietung der Mathilde immer weder kräftigen Zwischenapplaus und Bravorufe. Mit ihrem wundervollen Sopran meisterte die Koreanerin die komplexen Koloraturen, mit denen Rossini die Oper ausgeschmückt hat.
Warum Rossinis erste original französische Oper in italienischer Sprache gesungen werden musste, ist jedoch nicht ersichtlich. Die deutsche Fassung wäre vielleicht etwas holpriger, man hätte aber auf die Obertitel verzichten können. Und wenn man auf Originalität setzte, wäre die französische Fassung besser geeignet gewesen.
Odilia Vandercruysse war in der Rolle des Jemmy, Tells Sohn, unterdessen eine gute Wahl und auch Stephan Bootz überzeugte als Gessler.
Merit Ostermann war eine wohltönende Hedwige, Sang-Kiu Han wirkte als Gesslers Adjutant Rudolf eher gutmütig als bösartig. Auch Leonardo Ferrando, Tomi Wendt und Calin Valentin Cozma sangen in Gießen überzeugend und ambitioniert.
Das Orchester, unter der Leitung des scheidenden Generalmusikdirektors Herbert Gietzen, spielte gut aufgelegt und folgte dem Tempo, das der Dirigent vorgab. Auch der Chor unter der Leitung von Jan Hoffmann zeigte sich von der besten Seite. Musikalisch bot das Stadttheater mit Wilhelm Tell eine überzeugende Leistung.


Klaus J. Frahm, 06. Juni 2012, Wetzlarer Neue Zeitung