Ein musikalischer Krimi: Schmachtigallen feiern mit ihrem neuen Programm »Mann-o-Money« begeisternde Premiere im Stadttheater - Gießener Allgemeine Zeitung

20.09.2011

Zaster,Kohle, Pinke – »money makes the world go round«. Den schnöden Mammon haben schon viele besungen. Noch liegt der Schatten der jüngsten Finanzkrise über uns, da schmachten, trällern und tirilieren auch die Schmachtigallen in ihrer neuesten Inszenierung von Henry Arnold in dem musikalischen Krimi »Mann-o-Money « vom schönen Schein. Als Abba ihn besang, war die Welt noch in Ordnung, bei den Prinzen war das schon anders. Lange vor ihnen wussten die Commedian Harmonists, worum es geht. Jener verhängnisvolle Schwarze Freitag hatte ihre Goldenen Zwanziger Jahre zum Sillstand gebracht. Es ist nicht das bisschen Glamour am Revers, mit dem die vier Schmachtigallen am Samstagabend im Gießener Stadttheater von Beginn an das Publikum in ihren Bann ziehen. Mit smartem Bariton, samtweichem Tenor oder kellertiefem Bass erklingen Evergreens, Schlager, Popsongs und Neuvertextetes – und werden zum Hochgenuss für Ohr und Auge. Mit stimmlicher Präzision rocken sich Roland Furch, Severin Geissler, Jan Hoffmann und Martin Ludwig balladesk durch Ratings, Datings und Gewinnmitnahmen. Mit jeder Menge Charme, komödiantischem Geschick (Arrangements: Severin Geissler) und großer Freude an der (Selbst-)Inszenierung (Choreografie: Terry Pfeiffer) besingen die Schmachtigallen ihren Traum vom großen Geld. In den Augen der Fans leuchtet nicht das Dollarzeichen, sondern Begeisterung. Als von der Krise gezeichnete treffen sich die smarten vier in einer stylischen Bar – eine überdimensionale rote Kurve zeigt über ihnen steil nach unten (Bühne und Kostüme: Thomas Döll). Da ist der gefeuerte Banker, der sich mit einem detaillierten Rationalisierungsplan gleich selbst überflüssig machte, der smarte Gebrauchtwagenhändler, der von kurvenreichen Modellen träumt und der Barkeeper, der gerne edle Tropfen in einer schicken Location am Big Apple servieren würde. Während der eine am liebsten ein Regenwurm wäre, sieht der andere sein Glück darin, »der König im Affenstall zu sein« – Walt Disney lässt grüßen. Sie alle wissen, dass Geld ein Eigenleben hat. Weil der Kreislauf des Geldes letztlich eine Illusion ist und nur funktioniert, weil alle daran glauben, liegt die vermeintlich segensreiche Idee auf der Hand. Die vier suchen ihr Heil im Versichern derer, die Angst haben, das zu verlieren, was sie nicht besitzen, aber dank illegaler Transaktionen vermehren: Sie versichern den Betrug! Ein Rettungsschirm wird aufgespannt. Die Großen machen es vor: Der Gewinn wird eingestrichen, der Verlust abgegeben. Eine fünfköpfige Combo begleitet die gesanglichen Höhenflüge meisterlich. Die Schmachtigallen begeben sich mit dunklen Sonnenbrillen in einen Rausch: »Wenn ich vergnügt bin, muss ich singen.« Genüsslich inszenieren sie einen Stierkampf mit eimerweise Sangria, trällern schmachtend von ihrem Schatz oder träumen wie Frank Sinatra davon, dass sich ihre »News« in New York verbreiten. Geld macht bekanntlich sexy! Die Schmachtigallen erklingen melancholisch jammernd, wenn sie in bester A-capella-Tradition ihren Kehlen ein Trompetenkonzert entlocken, als die Träume platzen. Das Spiel ist aus, »the winner takes it all«. Das Finale endet in allgemeinem Jubel und aufbrausendem Beifall – »O Kohle mio«.
Doris Wirkner, 18.10.2010, Gießener Allgemeine Zeitung