Herzensbrecher fährt gen Himmel - Wetzlarer Neue Zeitung

30.01.2012

Herzensbrecher fährt gen Himmel

Premiere der Flotow-Oper "Alessandro Stradella" im Stadttheater Gießen

Wer eine Oper sehen möchte, in der die Handlung leicht zu verstehen ist und trotz der anspruchsvollen Musik eine lockere Atmosphäre herrscht, ist gut beraten, sich in Gießen die komische Oper "Alessando Stradella" anzuschauen. Im ausverkauften Stadttheater erlebten 550 Besucher am Samstag die fulminante Premiere des lange in den Archiven schlummernden Werks von Friedrich von Flotow.

Gastregisseur Roman Hovenbitzer lässt die Handlung in einem modernen Bühnenbild beginnen, das Gefängnis der Leonore, die von Anna Gütter als lebenshungriges junges Mädchen überzeugend gesungen und gespielt wurde, ist eine Transportkiste. Bösewicht Bassi, brillant verkörpert von Stephan Bootz, hat sie hoch in den Bühnenraum gehängt.

Regisseur Hovenbitzer nutzt das gesamte Repertoire der Bühnentechnik

Der Held und Sänger Alessandro Stradella ist einem italienischen Star-Tenor aus dem 17. Jahrhundert nachempfunden, der neben einem reichen Schatz an Musikwerken auch Geschichten von zahlreichen Liebesaffären und Eifersuchtshändeln hinterlassen hat.

Corey Bix sang und spielte den Star und Herzensbrecher, der sich in Leonore verliebt und sie aus dem Gefängnis befreit. Hovenbitzer nutzt für das turbulente Geschehen das ganze Repertoire der Bühnentechnik. Die Drehbühne, der Schnürboden, die Bodenklappen und der Zuschauerraum werden einbezogen.

Mit dem Chor und dem Extra-Chor des Stadttheaters sowie den Mitgliedern der Showtanzgruppe "Soul System" aus Hungen bringt die Regie außerdem eine große Schar von bunt gekleideten Künstlern, Karnevalisten und Hochzeitsgästen auf die Bühne, die einen gewaltigen Trubel veranstalten.

Die gedungenen Mörder Barbarino (Wojtek Halicka-Alicca) und Malvolino (Matthias Ludwig) kommen als echte Komödienmafiosi mit Geigenkästen auf die Bühne und spielen umwerfend komisch. Dazu singen beide ihre Rollen mit sehr viel Inbrunst und geben ihrer Wandlung zum Guten einen überzeugenden Ernst.

Das Philharmonische Orchester spielte unter Leitung von Jan Hoffmann präzise und brillant. Das Bühnenbild von Hermann Feuchter setzt die Handlung in einen passenden Rahmen. Mit Bildern aus der sixtinischen Kapelle und der Selbstüberschätzung des berühmten Sängers wird die Bühnenkunst in der Oper zur Religion veredelt. Das häufig am Rande der Blasphemie agierende Geschehen gipfelt in einer Himmelfahrt Stradellas mit seiner Leonore in einem goldenen Käfig.

Das Publikum war begeistert und Regisseur Hovenbitzer ließ auch die Bühnentechniker zum Schlussapplaus auf die Bühne kommen, die an diesem Abend Schwerstarbeit zu leisten hatten.
Klaus Frahm, 30.01.2012, Wetzlarer Neue Zeitung