Musikalische Bekenntnisse - Gießener Anzeiger

20.10.2011

Musikalische Bekenntnisse

Sänger und Instrumentalisten überzeugen bei 3. Sinfoniekonzert im Stadttheater

Ebenso wie in der vergangenen Saison hatte Chordirektor Jan Hoffmann auch diesmal für das 3. Sinfoniekonzert zwei ergreifende sakrale Werke ausgewählt: Mit der Reformationssinfonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy und der Messe Nr. 3 von Anton Bruckner brachte der stimmgewaltige Chor aus Mitgliedern des Gießener Konzertvereins, des Chors des Stadttheaters und der Wetzlarer Singakademie gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester musikalische Bekenntnisse dieser gläubigen Komponisten auf die Bühne des Stadttheaters.
Gleichermaßen überzeugten Sänger und Instrumentalisten mal introvertiert, mal glorifizierend mit dynamischer Durchschlagskraft das begeisterte Publikum. Obwohl Bruckner und Mendelssohn - der eine streng gläubiger Katholik, der andere zum reformierten Glauben konvertierter Jude - als unangefochtene Meister der romantischen geistlichen Musik gelten, könnte ihre musikalische Gestaltung ihres Glaubens kaum unterschiedlicher sein.
Die Fünfte, die ihren Beinamen ihrer programmatischen Handlung, dem in den Konfessionskriegen gipfelnden Konflikt der beiden großen christlichen Konfessionen, verdankt, wurde von den Instrumentalisten mit bezaubernder Eindringlichkeit und fesselnder Lebhaftigkeit vorgetragen. Nahezu greifbar wurde die Darstellung der Spannung zwischen den beiden Glaubensrichtungen vor allem im Fugato des Finalsatzes sowie in abgeschwächter Form in den dem Jupiter-Motiv des ersten Satzes gegenübergestellten Bläser-Fanfaren.
Der klare und zugleich sanfte Einsatz der 1. Violine im Andante sowie die beeindruckende Gesamtleistung der Streicher ließen dabei über die punktuellen Intonationsschwierigkeiten hinwegsehen. Der vierte Satz des Mendelssohns, die sinfonische Dichtung über den lutherischen Choral „Ein’ feste Burg ist unser Gott“, gewann die Zuhörer durch seine gut ausgeführte polyphone Stimmführung und die sauber ausgeführten Choralphrasen im finalen Unisono mit donnerndem Paukenschlag für sich.
Derart heftige musikalische Ausbrüche waren beim folgenden Bruckner‘schen Werk noch sehr viel häufiger vertreten. Unter der präzisen Anleitung Hoffmanns gelang es dem Philharmonischen Orchester von Anfang an, dem dramatisch und zugleich sensibel agierenden Chor sowie den Solisten Maria Chulkova (Sopran), Anne Catherine Wagner (Alt), Andreas Wagner (Tenor) und Adrian Gans (Bass) einen verlässlichen instrumentalen Rückhalt zu bieten.
Gefühlvoll und mitreißend
Mit feiner Differenzierung und wohl gewählter Dynamik entfalteten sie die zarte Einleitung des Kyrie ebenso elegant wie die schroffen und rhythmisch diffizilen Übergänge des Credo. Ausgehend von der leidenschaftlichen Anrufung des Kyrie entwickelte sich der Vortrag über ein dramatisches Gloria bis zum gefühlvollen Benedictus zu einem mitreißenden Geschehen zwischen Verzweiflung und Erlösung. Höhepunkt war dabei das als eigene sinfonische Dichtung komponierte Credo. Dabei wurde die enge Orientierung der Komposition am Text besonders im dramatischen paukengestützten Beben bei der Auferstehung deutlich. Das abschließende Agnus Dei erklang hingegen sehnsuchtsvoll und eindringlich. Der homogene Vortrag der drei Chöre, die die herausfordernden Passagen hingebungsvoll und präzise meisterten, wurde durch die solistischen Leistungen des nicht ganz ausgewogen besetzten Quartetts gekrönt: So zeigte Wagner als Tenor zwar eine vollendete Solopartie im Credo, wurde jedoch im vorangegangenen Quartett durch den stimmgewaltigen und charismatischen Bass von Gans fast unhörbar. Ebenso durchdringend und vibratoreich erklang Chulkovas klare Sopranstimme, die sie jedoch vor allem im Benedictus gekonnt zurücknahm. Wagner meisterte mit ihrer warmen Altstimme die zwei Oktaven umspannende Stimme technisch versiert, war jedoch ebenfalls im Vergleich zum Sopran eher zu leise.
Eine sehr solide Leistung zeigte auch der Musikstudent der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Philipp Brömsel, der die Konzert-Arie „Mentre il lascio, oh figlia“ von Wolfgang Amadeus Mozart vortrug. Begleitet von einer kleinen Orchesterbesetzung beeindruckte er mit einer reifen Stimme, die zugleich eindringlich wie auch sanft erklang und mit der er in beherrschter Manier und wohlgewählter Dynamik bezauberte.
Susanne Engelbach, 20.10.2011, Gießener Anzeiger