Sinfoniekonzert mit Werken von Mendelssohn und Bruckner -Gießener Allgemeine Zeitung

20.10.2011

Sinfoniekonzert mit Werken von Mendelssohn und Bruckner

Gotteslob mit geballter Chorkraft unter der energievollen Leitung von Jan Hoffmann im Stadttheater, im »Auftakt« singt der junge Bassbariton Philipp Brömsel.

Zwei Werke tiefreligiöser Komponisten des 19. Jahrhunderts – zwei Welten: die festliche Reformationssinfonie des 21-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy und die eng an kirchenmusikalische Tradition gebundene Messe Nr. 3 f-Moll von Anton Bruckner. Das erstere Werk wurde nach der Uraufführung 1832 vom Komponisten als »zu jugendlich« beiseite gelegt und erst posthum gedruckt (daher Nr. 5, obwohl vor der »Schottischen« und »Italienischen« entstanden). Bruckner schrieb die Messe 1867 als sein letztes großes Sakralwerk. Die Musiker der Wiener Hofburgkapelle lehnten es als unspielbar ab, der Meister führte es 1872 in der Augustiner-Kirche selbst auf. Zwei Welten: die eine des gläubigen, weltoffenen Protestanten jüdischer Herkunft, die andere des streng im katholischen Glauben verwurzelten Linzer Domorganisten. Die Sinfonie in ihrem Zitatenreichtum und dem durchsichtigen Bau leicht ansprechend, die Messe in ihrer fast durchgängigen Hochspannung und kühnen Harmonik nicht so leicht verdaulich – auch nicht für die Ausführenden.

Die beiden Werke hatte Chordirektor Jan Hoffmann auf das Programm des 3. Sinfoniekonzerts am Dienstag gesetzt; ein volles Haus spiegelte das Interesse des Publikums. Zunächst der »Auftakt«: Gast war diesmal ein Sänger, der junge Bassbariton Philipp Brömsel; er studiert an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst bei Thomas Heyer. Seine frühe Schulung im Dresdner Kreuzchor schlug sich in der sicheren Führung der Stimme nieder, die – mit schönen warmen Farben in der mittleren Lage – auch ausdruckstechnisch noch weiter reifen wird. Zumal für eine Mozart-Konzertarie, die den Abschied eines Vaters von seiner Tochter thematisiert: »Mentre ti lascio, o figlia«. Ein Wermutstropfen hier die unsaubere Intonation bei den Geigen.

Mendelssohns Sinfonie erhielt unter den Händen von Jan Hoffmann blühende Farben, wenn auch feinere Nuancen zugunsten der insgesamt eher kraftvollen Konturen ins Hintertreffen gerieten. Nach dem verhaltenen Beginn setzten die Bläserfanfaren bedeutsame Akzente. Ein zart intoniertes »Dresdner Amen« (Wagners »Parsifal« grüßt vorab) wird von markanten Tutti abgelöst, die gewittrige Spannung aufbauen. Heiter-tänzerisch der leichtfüßig musizierte zweite Satz, kontrastiert von der melancholischen Melodie des Andante, bis das Flötensolo den Choral »Ein feste Burg ist unser Gott« anspielt, der dann in mannigfaltigen, auch fugierten Variationen bis zum triumphalen Schluss immer wieder durchscheint – Sieg der Reformation.

Ein wahrlich schwieriger Brocken, der besonders an den vierstimmigen Chor sofort harte Anforderungen stellt, das ist die f-Moll-Messe – ein mächtiger Bruckner, kompakt und in der Abfolge des klassischen Messekanons kaum zum Atemholen geeignet. Der Sinfoniker scheint stets durch zwischen Weltgerichtsahnung (»Resurrexit«) und Verklärung im »Benedictus« – süß erholsam nach dem Ansturm voller Chromatik (»Gloria«) sowie an- und abschwellender Dynamik. Die forderte von dem Vokalensemble zu Beginn im »Kyrie« volle Kraft, wobei die Spitzentöne leider um Hertzbruchteile zu tief gerieten. Die Violinen brauchten wieder ihre Zeit für ein homogenes Miteinander. Für die vier Sängersolisten sind die Aufgaben anspruchsvoll in Bezug auf Einsätze und Konzentration, dabei wenig dankbar im Sinne schöner Melodik und solistischem Glanz. Bassbariton Adrian Gans wirkte jedenfalls äußerlich genervt von seinem Part. Seine tragfähige Stimme und die dramatische Strahlkraft von Maria Chulkova konnten sich in den Klangmassen gut durchsetzen; das gilt auch für Anne Catherine Wagner, deren Alt im Duett mit der Sopranistin am ausgewogensten wirkte. Eine schöne Tenorarie gab es für Andreas Wagner, sein »Incarnatus est« gewann viel Ausstrahlung zu himmlischem Geigen- und Schalmeienklang.

Besonders die stetige Präsenz der Chöre des Theaters, des Konzertvereins und der Wetzlarer Singakademie, die den geballt energievollen Gesten Hoffmanns konzentriert folgten, konnte in dieser Aufführung fesseln. Verschachtelte Kunstwerke wie das »Hosanna« faszinierten, und ein kompaktes »Dona nobis pacem« beschloss einen beeindruckenden Parforceritt durch diese kapitale Sakraltour. Angemessen kräftiger Beifall honorierte Höchstleistungen.

Olga Lappo-Danilewski, 20.10.2011, Gießener Allgemeine Zeitung