Gelungene Premiere von „Achterbahn - kein Weg zurück“ des Jugendclubs des Stadttheaters - Gießener Anzeiger

07.05.2012

Gelungene Premiere von „Achterbahn - kein Weg zurück“ des Jugendclubs des Stadttheaters

„Hass, Hass, Hass“ - wird den Zuschauern von schwarz gekleideten, maskierten Menschen entgegengeschleudert, mitten in die dröhnende Musik der Gruppe Böhse Onkelz.
Die Anfangsszene des Stücks „Achterbahn - kein Weg zurück“ schleudert die Zuschauer mitten in die Gemütslage der jungen Schauspieler und sagt zugleich viel darüber aus, warum die Jugendlichen sich dem Rechtsradikalismus zuwenden. Sie besteht aus Hass, Wut und Enttäuschung auf Eltern, Politiker und das Establishment.
Der Jugendclub Spieltrieb des Stadttheaters hat das Motiv der „Mädelsgruppe innerhalb der rechten Szene“ thematisiert und damit messerscharf den Zeitgeist getroffen. Innerhalb von drei Monaten und mit akribischer Recherche haben sie das Stück gemeinsam verfasst und auf die Bühne gebracht, unterstützt wurden sie von Heike Meister, die auch Regie führte. Die intensive Nachforschung zu dem Thema „Rechtradikalismus“ hat sich ausgezahlt. Sie ergibt eine düstere Bestandsaufnahme der Befindlichkeiten der aktuellen Jugendlichen.
Mara, eine neue Schülerin, kommt in einen Ort irgendwo in Mittelhessen. Sie bringt neue Ideen mit aus der Neonazi-Szene und findet hier reichen Nährboden aus Frust, Hass und Gewalt. Ein Teil der Gruppe schließt sich ihr an, wird zu Mitläufern und Mittätern, andere sind desinteressiert und wiederum andere versuchen sich dagegen zu wehren, wenngleich sie fast auf verlorenem Posten kämpfen.
Verführbar
Da sind auf der einen Seite die „Tussis“, die nur sinnentleertes Shopping im Kopf haben, sie werden herrlich karikiert dargestellt. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die von ihrem bisherigen Leben enttäuscht sind. Ihnen gibt die Protagonistin Mara ein neues, nationales Selbstwertgefühl und öffnet zugleich die Büchse der Pandora, die sie selbst nicht mehr schließen kann. Kaum dass sich die „Mädelsgruppe“ um sie formiert hat, möchte diese mehr als nur Parolen an die Wand sprühen oder Ausländer anpöbeln. Man plant etwas Großes, doch am Ende kommt jemand zu Tode. Das hat keiner gewollt. Das wird in den eingeblendeten Verhören versichert. Die Beweggründe, warum es der charismatischen Mara gelingt, eine Mädchenclique um sich zu scharen, sind vielschichtig. Was sie eint, ist die Unzufriedenheit mit ihrer augenblicklichen Situation und die Hoffnungslosigkeit für die Zukunft. Man will sich für eine Idee einsetzen, für sie kämpfen, wenn schon Proteste gegen Atomkraft, gegen die Schließung von Kindergärten oder Sonstigem nichts gebracht haben. Dies hat die Theatergruppe in klarer Weise herausgearbeitet und zeigt dabei, dass heutige Jugendliche ebenso wie diejenigen in der 30er Jahren für rechte Ideen verführbar sind - egal, aus welcher Schicht sie kommen. Durchweg beeindruckend waren die schauspielerischen Leistungen aller Akteure. Ein lohnendes Stück zum Thema Rechtsradikalismus bei Jugendlichen in Deutschland. Barbara Czernek, 07.05.2012, Gießener Anzeiger