»I wanna be loved by you« auf TiL-Studiobühne - Gießener Allgemeine Zeitung

17.12.2012

»Gardez!« heißt es beim Schach, wenn die Dame bedroht wird. »Gardez!« sagt das Leben auch zu Marilyn Monroe, die längst zum Mythos geworden ist. Titus Hoffmann gibt in seinem Musiktheaterstück »I wanna be loved by you«, das nun auf der TiL-Studiobühne uraufgeführt wurde, einen Einblick in das Seelenleben der Hollywoodlegende.

Das Werk – ein bisschen Kammerspiel, ein bisschen Musical – hat er der Gießener »Sally Bowles« Sophie Berner und ihrem »Cabaret«-Partner Andrea Matthias Pagani quasi auf den Leib geschrieben. Mitreißend, einfühlsam und mit Charme und Witz spielen die beiden jenen Abend in der Garderobe nach, an dem die Monroe ihrem (angeblichen) Geliebten John F. Kennedy das Geburtstagsständchen »Happy birthday, Mr. President« im Madison Square Garden hauchte – wenige Monate später war sie tot.

Hoffmann hat ihr Leben symbolisierende Lieder der Monroe – »I wanna be loved by you« ist titelgebend – zusammengestellt und erzählt so das Schicksal der Diva. Dass die Nummern nicht bloßes Nachsingen sind, dafür sorgt Carsten Gerlitz, der die Titel peppiger und moderner arrangiert hat. Choreograf Tim Plegge lässt Berner die typischen Monroe-Posen tanzen. Und Bühnenbildner Bernhard Niechotz hat die Garderobe, in der Marilyns weißer Flügel auch schon mal zweckentfremdet wird, komplett in unschuldigem Weiß gestaltet.

Berner und Pagani gelingt der Spagat zwischen psychologischer Kammerspiel-Studie der zerrütteten Norma Jean Baker und dem musical-typisch überspitzten Posieren der Sexbombe Marilyn perfekt. Wenn Berner mit wasserstoffblonder Perücke und sexy Outfits die Bühne betritt, dann ist sie der personifizierte Männertraum – übrigens auch für ihren Psychiater Dr. Greenson (Pagani), dem sie im Traum nackt erscheint. Und wenn nur Paganis Hände und ein Handtuch ihre Blöße bedecken oder sie sich verzweifelt an ihn klammert, dann spürt das Publikum, dass hinter der Diva-Fassade ein kaputter Mensch steckte.

Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass Pagani und Berner ihr Musical-Handwerk aus dem Effeff beherrschen. Stimmlich und tänzerisch sind beide eine echte Freude. Und wenn die Zuschauer nach einer 20-minütigen Unterbrechung – wegen eines »technischen Umbaus« – wieder in den Saal kommen, dann zeigen die beiden Musical-Darsteller, dass sie auch im dramatischeren zweiten Teil schauspielerisch durchaus bestehen können. Ein sehens- und hörenswerter Abend, selbst für Nicht-Musical-Fans.

Karola Schepp, 14.12.2012, Gießener Allgemeine Zeitung