Martin Gärtner spielt und singt »König Ödipus« - Gießener Allgemeine Zeitung

21.09.2012

Martin Gärtner spielt und singt »König Ödipus«

»Das Leben kommt einem manchmal ziemlich fiese vor, am besten, man bewahrt sich in der Krise den Humor«, hat der Klavierkabarettist Bodo Wartke gedichtet und die Geschichte des »König Ödipus« frei nach Sophokles neu erzählt.
Martin Gärtner, unter anderem Leiter des Kinder- und Jugendchors am Stadttheater, hat sich der humorigen Variante des antiken Tragödienstoffes angenommen und seine Version am Freitag erstmals im Theaterstudio im Löbershof präsentiert. Die bei aller Tragik der Geschichte von Ödipus, der seinen Vater unwissentlich erschlägt und die eigene Mutter ehelicht, höchst amüsante Inszenierung unter der Regie von Oliver Meyer-Ellendt wurde am Ende mit begeistertem Applaus bedacht. Dieser Theaterabend wird sicher einer der Publikumsrenner in der aktuellen Spielzeit.

Das Stück ist zum »Tingeln« konzipiert, soll also auch auf anderen, kleineren Bühnen als dem Theaterstudio gezeigt werden. Thomas Döll hat die besonderen Ansprüche einer mobilen Produktion bei Bühnenbild und Kostümen berücksichtigt und mit Klavier, zwei antiken Säulen und unterschiedlich drapierten Stoffen und wenigen Requisiten mit einfachen Mitteln das Maximum möglich gemacht. »König Ödipus« lebt durch Martin Gärtner – und auch all die anderen Figuren im Drama. Von Mutter Iocaste und ihrem Königsgatten Laios angefangen über den lispelnden Onkel Kreon, den blinden Seher Theresias bis hin zum Orakel von Delphi schlüpft Gärtner blitzschnell in insgesamt 14 Rollen. Bei einem »Battle-Rap« disst er sich als Vatermörder und »motherfucker« mit seinem lispelnden Onkel, als »O-Rakel« von Delphi hat er Sextipps im Reich-Ranicki-Dialekt parat, lässt sich auf der Couch von Siegmund Freud seinen Komplex behandeln und beim »Ödi-Blues« macht sogar das Publikum bereitwillig mit. Gärtner hat dabei stets die Lacher auf seiner Seite, und so ganz nebenbei einen echten Bildungsauftrag. Denn auch wer die Geschichte vom Ödipus nicht genau kennt, der bekommt sie in den höchst unterhaltsamen knapp eineinhalb Stunden noch einmal nacherzählt – mit musikalischen Intermezzi und mitreißenden Songs. Dass dabei die für Wartke so typische Wortakrobatik spitze Pointen setzt, gehört zu den besonders gelungenen Momenten. Und auch wenn am Ende wie im Original die Hauptfiguren tot oder zumindest geblendet sind und einem eigentlich angesichts der Brutalität des Schicksals das Lachen im Halse stecken bleiben müsste, haben sich die Zuschauer doch »königlich« amüsiert. Karola Schepp, 26.09.2011, Gießener Allgemeine Zeitung