»Peer und Gynt« zur Winterzeit im Stadttheater - Gießener Allgemeine Zeitung

23.11.2012

»Peer und Gynt« nach Paul Maar ist als wunderschönes Familienstück zur Weihnachtszeit im Stadttheater zu sehen. Nun war Premiere mit allerlei Trollen, wie sie Gießen zuvor noch nicht gesehen hat.

Wenn Trolle sich begrüßen, müssen sie pupsen. Als Dankeschön gibt es ein Niesen und als Kompliment eine Ohrfeige. Aber auch wenn sich die Kinderstube stark unterscheidet und es leicht zu Missverständnissen kommen kann: Menschen und Trolle können Freunde werden, sich vielleicht sogar ineinander verlieben. Davon erzählt das neue Familienstück zur Weihnachtszeit, mit dem das Stadttheater in diesem Winter Kinder in knapp 50 Vorstellungen begeistern wird. Am Donnerstag war umjubelte Premiere.

»Peer und Gynt« nach Paul Maar und Christian Schidlowsky inszeniert Ragna Kirk mit sicherem Gespür als temporeiches Stück für Jungen und Mädchen gleichermaßen. Fred Kerkmann garniert die Aufführung mit schmissiger, ohrwurmverdächtiger Musik. Lukas Noll hat das Bühnenbild entworfen – eines der schönsten seit Langem auf dieser Bühne – und Bernhard Niechotz hat bei den illustren Kostümen seiner Fantasie herrlich freien Lauf gelassen.

Die Drehbühne gibt quasi im Dauereinsatz den Blick auf die unterschiedlichen Welten frei, in denen sich die Trollprinzessin Gynt und der Menschenjunge Peer begegnen. Die Lichtstimmungen wechseln ständig und es gibt so viel zu schauen, dass auch ein nochmaliger Besuch einer Vorstellung durchaus Sinn macht. Von der steril und unterkühlt wirkenden Wohnung Peers, in der seine Mutter permanent putzt, geht es mit einer Rutsche und durch Drehtüren hinein in den geheimnisvollen Zauberwald und die urige Höhle der Trolle. Die haben dicke Warzen an den Beinen, grüne Knubbelnasen im Gesicht, überlappende Bäuche, ausladende Hinterteile und tragen Dreadlocks. »Schnapp, schnapp, Nase ab« trällern die tumbem Trollwachen und im fetzigen Ska-Rhythmus erklingt im Chor das Lied von den Trollen, die sich nichts befehlen lassen. Das lädt zum Mitsingen ein und so manche Melodie bekommt man den ganzen Tag nicht mehr aus dem Ohr.

Dass die Schauspieler das Stück lieben, merkt man. In der Premierenvorstellung hatte Anne-Elise Minetti ihre sichtliche Freude an den bizarren Umgangsformen der Trollprinzessin. Pascal Thomas gab dem staunenden Jungen Peer eine energische Note und Lukas Goldbach und Petra Soltau, die auch als Mutter Aase und Trollkönig im Einsatz sind, ließen es als begriffsstutzige Trollwachen so richtig krachen. Roman Kurtz spielte unter anderem den Troll-Hofkoch, der mit seinen »ö«, »ä« und »ü« irgendwie im Sächsischen Zuhause sein muss. Kaum zu glauben, dass es am Ende nur fünf Schauspieler sind, die den tosenden Applaus und die Zugaberufe entgegennehmen. Dank rasanter Kostümwechsel wirkt es, als wären eigentlich dreimal so viele Darsteller im Märchendauereinsatz. Klar, dass das über die Wochen nur in Doppelbesetzungen zu schaffen ist. Und so stehen alternierend Carolin Weber und Milan Pesl (Trollwachen), Mirjam Sommer und Vincenz Türpe (Gynt und Peer) und Harald Pfeiffer (unter anderem als Koch) auf der Bühne.

Gießener Allgemeine, 23.11.2012, Karola Schepp