Arsen und Spitzenhäubchen gefällt - Wetzlarer Neue Zeitung

21.03.2012

Arsen und Spitzenhäubchen gefällt
Erfolgreiche Premiere der schwarzen Komödie im Stadttheater Gießen

 Arsen und Spitzenhäubchen“, die schwarze Komödie des amerikanische Autors Joseph Kesselring, sorgt auch nach 70 Jahren für Begeisterungsstürme. So geschehen am Samstag im Stadttheater Gießen bei der Premiere der Inszenierung von Thomas Goritzki.

Der großer Erfolg und minutenlange Applaus ist vor allem auf die Spielfreude der Schauspieler zurückzuführen, allen voran Pera Soltau und Barbara Krabbe in den Paraderollen der Schwestern Martha und Abby Brewster. Und auf die pfiffigen Ideen von Gorotzki und Bühnenbildner Heiko Mönnich. Sie haben den altmodischen Charme der 40er Jahre erhalten. Die Musik allerdings ist zeitgemäß, eine Mischung von Erkennungsmelodien aus dem deutschen Fernsehen, vom „Rosaroten Panther“ über „Lindenstraße“ bis „Tatort“.
Der Blick fällt in den Salon der beiden älteren Schwestern, am Tisch sitzen Dr. Harper (Harald Pfeiffer) und zwei Polizisten. Dass im Keller elf Leichen liegen und eine weitere in der Kiste unter dem Fenster versteckt ist, ahnt natürlich keiner. Denn die Hausbewohnerinnen sind in der Nachbarschaft für ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft bekannt.
Doch sie haben auch ihre dunklen Seiten, vor allem älteren alleinstehenden Männern gegenüber. Zum Kennenlernen wird selbst gemachter Holunderwein gereicht, kräftig mit Gift versetzt. Die Schwestern wollen die Herren von Einsamkeit und Krankheit erlösen.
Neffe Mortimer (Milan Pesl), der Theaterkritiker, entdeckt mit erschrecktem Augenrollen und Türenschlagen schließlich die zwölfte Leiche. Gerade erst hatte sich der junge Mann nach intensiver Schmuserei mit der Pfarrerstochter Elaine Harper (reizend und couragiert: Mirjam Sommer) verlobt. Jetzt kann er seine Liebste so gar nicht gebrauchen und wirft sie kurzerhand aus dem Haus, was sich die junge Frau allerdings nicht bieten lässt: Die Szene zeigt Slapstick vom Feinsten, wie auch an vielen anderen Stellen der Komödie.

Pfeiffer spielt gleich drei Rollen

Die beiden Schwestern können ihre Machenschaften, für die sie keine Schuldgefühle zeigen, sondern Mortimer auch noch stolz das Rezept des Gebräus verraten (Arsen, Strychnin, Zyankali), nur mit Hilfe ihres geistig verwirrten Neffen Teddy durchführen. Eine Glanzrolle für Frerk Brockmeier. Köstlich, wie er als vermeintlicher Präsident Roosevelt „Attacke“ brüllend die Treppe hochstürmt oder die US-Nationalhymne anstimmt.
Doch es gibt einen dritten Neffen, Jonathan, der jahrelang verschwunden war und zum Schwerverbrecher geworden ist. Nun kehrt er zurück, in der Gestalt von Boris Karloff (Frankenstein). Erbringt als Komplizen Dr. Einstein mit, der ihm wieder ein neues Gesicht verpassen sll. Wunderbare Rollen für Sebastian Songin, die sie auch genüsslich ausleben. Ordnung schafft schließlich Leutnant Rooney (Roman Kurtz)
Dem Stück wird nachgesagt, seine Aktualität auch aus dem Spiel mit dem bürgerlichen Schein und aus dem Doppelleben der Figuren zu beziehen. Da gibt es einen Schauspieler, auf den dieses Spiel der Charaktere ganz besonders zutrifft. Harald Pfeiffer erscheint in dreifacher Gestalt: als Dr. Harper, Mr. Gibbs und Mr. Witherspoon. Ein hervorragender rollenwechsel; zum Schlussapplaus erscheinen dann auch noch alle drei- nacheinander.
Wie es ausgeht, wird nicht verraten. Wobei die Frage ist, wie viel man bei dem bekannten Stück noch verraten kann.

Ursula Hahn-Grimm, 28. Februar 2012, Wetzlarer Neue Zeitung