Ein Mordsspaß im Stadttheater: »Arsen und Spitzenhäubchen« - Gießener Allgemeine Zeitung

27.02.2012

Ein Mordsspaß im Stadttheater: »Arsen und Spitzenhäubchen«


Thomas Goritzki setzt die Kriminalkomödie von Joseph Kesselring höchst unterhaltsam mit Petra Soltau und Barbara Krabbe als reizende alte Schwestern in Szene.
Für diese Komödie gibt es nur ein Attribut: unverwüstlich. Auch 70 Jahre nach seiner Entstehung hat dieser Mordsspaß um zwei alte reizende Schwestern, die ein Dutzend Leichen im Keller haben, nichts von seiner komischen Wirkung verloren. Vorausgesetzt, man lässt »Arsen und Spitzenhäubchen« – wie Gastregisseur Thomas Goritzki im Stadttheater – vom Blatt spielen, hält sich also an die Gebrauchsanweisungen des Autors Joseph Kesselring, dem 1941 unverhofft sein einziger Welterfolg gelang. 1444-mal, also vier Jahre lang, wurde das Stück am Broadway gegeben, sodass der Filmklassiker in der Regie von Frank Capra, obwohl bereits 1941 gedreht, erst 1944 auf die Leinwand durfte.

Goritzki, in der Vergangenheit in Gießen eher für sperrige Werke wie Genets »Der Balkon« oder Ionescos »Die Nashörner« zuständig, versteht sich bestens auf das leichte Fach, das für alle Mitwirkenden jedoch Schwerstarbeit bedeutet, müssen Tempo und Timing doch unbedingt stimmen, damit auch jede Pointe richtig sitzt. Das exakt aufeinander abgestimmte Zusammenspiel muss laufen wie ein geschmiertes Uhrwerk und darf keinesfalls ins Stocken geraten wie die historische Standuhr in der guten Stube der Schwestern Brewster.

Heiko Mönnich hat ein herrlich altmodisches Wohnzimmer wie aus dem Bilderbuch geschaffen – mit Streifentapeten an den Wänden, Spitzendeckchen auf dem dunklen Holztisch, der massiven Sitztruhe vorm Fenster zum Friedhof, die schon mal als Zwischenlager für Leichen dient, sowie der unverzichtbaren Treppe hoch zur Galerie, die vom geistesgestörten Neffen Teddy regelmäßig mit Hurra und Trompetensignal erstürmt wird. Natürlich fehlt der Abgang zum Keller nicht, in dem der gehorsame Teddy immer mal wieder neue Schleusen für den Panama-Kanal ausheben muss, damit die alleinstehenden Männer, die die alten Tanten mittels vergiftetem Holunderwein von ihrem erdrückenden irdischen Dasein erlöst haben, auch ihre angemessene Ruhestätte finden.

Alles ist ganz so, wie wir es vom Film her kennen und mögen. Nur ist Milan Pešl eben nicht Cary Grant, dem als Neffen Mortimer die delikate Aufgabe zufällt, das unfassbare Treiben seiner Anverwandten zu entdecken und irgendeine, sei es noch so aberwitzige Lösung zu finden. Pešl dreht auf, was das Zeug hält. Er verbiegt und verdreht sich, rollt mit den Augen, kann er doch kaum glauben, was sich im Haus seiner liebreizenden Tanten so abspielt.

Diese beiden adretten Ladys sind bei Petra Soltau (Martha Brewster) und Barbara Krabbe (Abby Brewster) in allerbesten Händen. Entzückend, wie sie durch ihre Puppenstube trippeln, mit Unschuldsmiene ohne einen Funken Reue von ihren vermeintlichen Wohltaten berichten, dabei stets korrekt und höflich bleiben, so als könnten sie kein Wässerchen trüben. Soltau und ihre Kollegin Krabbe, die als Gast aus Hamburg verpflichtet wurde, ergänzen sich prächtig – eine Idealbesetzung, die stimmiger nicht hätte ausfallen können!

Perfekte Verwandlungen
Auch Frerk Brockmeyer gebührt Anerkennung. Seine Verwandlung in den spleenigen Teddy, der sich einbildet, Präsident Roosevelt zu sein, ist perfekt gelungen. Ebenso wie Rainer Hustedt, der mittels Narbengesicht und schwerfälligem Gang überzeugend zu Boris Karloff mutiert und so dem mehrfach gesuchten Schwerverbrecher Jonathan Brewster ordentlich Gewicht verleiht. Übrigens spielte Karloff diese Rolle höchstselbst in der Uraufführung am Broadway.

Als Jonathans Leibarzt Dr. Einstein zieht Sebastian Songin geschickt in letzter Minute wie ein Aal seinen Kopf aus der Schlinge. Mirjam Sommer bekommt als hartnäckige Elaine Harper natürlich zum Schluss doch noch ihren Mortimer. Ende gut – alles gut! Das Premierenpublikum fühlte sich am Samstagabend jedenfalls bestens unterhalten. Die Lacher waren unüberhörbar und der Schlussapplaus dementsprechend stark.
Marion Schwarzmann, 27. Februar 2012, Gießener Allgemeine Zeitung