»Afrikanisches Puzzle« im TiL - Gießener Allgemeine Zeitung

20.03.2012

»Afrikanisches Puzzle« im TiL

Mit der Premiere des Musicals »Afrikanisches Puzzle« begeisterte der Kinder und Jugendchor des Stadttheaters am Sonntag in zwei fast ausverkauften Vorstellungen. Es war eine Reise in das Herz Afrikas.

Schwarz ist die kleine Bühne nur am Anfang, sobald Licht die Szene erhellt, wird vor dem an der Wand hängenden Umriss des Kontinents (Bühne und Kostüme: Thomas Döll), die ganze Farbenpracht sichtbar und hörbar. Mit buntem Kopfschmuck und farbenfrohen Kleidern schwenken die kleinen Sänger die Fahnen der unzähligen afrikanischen Länder, von Uganda, Somalia, Ghana, Nigeria und all den anderen. »Willkommen in Afrika« heißt der Eingangschor und das Publikum ist schon verzaubert von dieser reichen und doch so gebeutelten Welt.

Es ist die Heimat von Imara, Anjo und Adesina. Für ihre Mutter, die Näherin, machen sie sich auf den Weg in die Stadt. Hier wollen sie deren Kleider verkaufen und vom Erlös eine Nähmaschine für ihre Mutter erwerben. Die Puzzleteile fügen sich zusammen: Die Mütter, die die Welt am Laufen halten, die Straßenkinder, die sich ihre Welt ohne elterliche Unterstützung bauen müssen, die Gauner und Schlitzohren, die Hungernden und die, die im Überfluss schwelgen. Der Weg der drei Kinder ist eine Reise in das Herz Afrikas, das von den Müttern lebt, die die Kinder versorgen, auf dem Feld stehen und ihre Waren auf dem Markt verkaufen, um die Familie zu ernähren. Das Ziel der drei Kinder ist eine Stadt wie wohl viele in Afrika, in der unzählige elternlose Kinder auf der Straße leben, wo sie sich zu Banden zusammenschließen, die ihre eigenen Regeln haben. So wird der Weg, den Imara, Anjo und Adesina zurücklegen müssen auch zu einer inneren Reise, die ihnen viel Mut und Verantwortung abverlangt, denn auch sie träumen, wie die im Überfluss Lebenden, von den schillernden Verlockungen des Reichtums. Während die feinen Damen die Sorge um die neuen Schuhe beklagen, besingen die Straßenkinder in heiteren Melodien ihre selbstgebastelten Fußbälle und die aus Müll gefertigten Autos. »Nie wird sich unser Leben ändern, auch wenn wir das wollen.« Wenn die Straßenkinder, die den Dreien schließlich helfen, für ihre Kleider Käufer zu finden, davon singen, mit dem Geld endlich ihren Hunger stillen zu können, ist das jenseits der heiteren Klänge und der mitreißenden Melodien einer von vielen Momenten, die Gänsehaut verbreiten. Dennoch wirkt das Stück der britischen Autoren Peter Rose (Musik) und Anne Conlon (Text) nie belehrend. Zu keinem Zeitpunkt verdecken Rhythmen von afrikanischen Trommeln bis zum Regenmacher, Melodien und Klangfarben die bittere Realität, werden diese nie missbraucht, um eine romantisch verklärte Geschichte zu erzählen. Die drei Kinder meistern ihr Schicksal durch Mut und die Fähigkeit, Freundschaft zu schließen. Damit transportiert das kurzweilige Musical universelle Erkenntnisse auf dem Weg ins Erwachsenwerden, zeigt den Reichtum Afrikas, aber auch die Schattenseiten der Globalisierung, ohne mutlos zu machen.

Mit großem Können, beeindruckenden Stimmen und mitreißender Choreografie (Jeremy Green) erwecken die jungen Sänger (Musikalische Leitung: Martin Gärtner) in der Inszenierung von Oliver Meyer-Ellendt die Geschichte zum Leben: Eine Geschichte, die nicht zuletzt dank der leidenschaftlichen Präsentation, Augen und Ohr verzaubert. Das Afrikanische Puzzle ist noch einmal am 25. März und am 29. April auf der TiL-Studiobühne zu sehen.
Doris Wirkner, 20.03. 2012, Gießener Allgemeine Zeitung