»Der kleine Prinz« im Stadttheater - Gießener Allgemeine Zeitung

11.11.2011

»Der kleine Prinz« im Stadttheater

Prächtige Kostüme, eine wunderschöne Geschichte und ein zauberhaftes Bühnenbild: Mit »Der kleine Prinz« setzt das Stadttheater in der Vorweihnachtszeit ganz auf die leisen, poetischen Töne.

Die kleinen Zuschauer des Familienstücks können sich diesmal von Antoine de Saint-Exupérys fantastisch-surrealer Geschichte gefangen nehmen lassen. Bei der Premiere am Donnerstag klappte das, nachdem sich die Jungen und Mädchen im restlos gefüllten Theater erst einmal auf das Bühnengeschehen einlassen konnten, auch recht gut.

Abdul M. Kunze, Fachmann für Kinder- und Jugendtheater und in Sachen Weihnachtsmärchen ein Routinier, inszeniert »Der kleine Prinz« als anrührende Entdeckungsreise voller Poesie und Zauber. Der Prinz, der von seinem Planeten abgereist ist, um die Welt zu entdecken und Freunde zu finden, trifft im von Thomas Döll entworfenen ästhetischen Bühnenbild mit der gewölbten Wüste auf der Drehbühne und den vom Schnürboden herabhängenden Planeten vor dem Sternenzelt auf allerlei illustre Gestalten, die Bernhard Niechotz in prächtige, von den Originalzeichnungen Exupérys inspirierte Kostüme verpackt hat.

Die Rose, gespielt von Mirjam Sommer alternierend mit Ana Keresovic, ist mit ihren roten Blütenblättern und ihrem kapriziösen Gebahren Inbegriff der Schönheit, die Schlange umgarnt den von Pascal Thomas (im Wechsel mit Corbinian Deller) nachdenklich-staunend gespielten Prinzen und auch die anderen Figuren hinterlassen trotz ihrer jeweils nur kurzen Auftritte Eindruck: Der Eitle (Sebastian Songin/Frerk Brockmeyer), der bewundert werden will, der Geschäftsmann, der vor lauter Geschäftstüchtigkeit keine Zeit hat, der König (Milan Pešl/Gunnar Seidel), der regiert um des Regierens willen, der Geograf, der das Wissen der anderen aufschreibt, aber nicht neugierig genug ist, oder der Laternenanzünder, der blind seinen Weisungen folgt, obwohl sich sein Planet mittlerweile immer schneller dreht. Gier, Eitelkeit, blinder Gehorsam, Machthunger – der kleine Prinz begegnet all diesen Auswüchsen der Erwachsenenwelt auf seiner Reise durch das Universum und zu sich selbst. »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar«, verrät der Fuchs, mit dem sich der Prinz anfreundet.
Pascal Thomas als kleiner Prinz und Mirjam Sommer als Schlange.
Damit die kleinen Zuschauer solch philosophischen Wahrheiten auch folgen können, führt sie der in der Wüste mit seinem Flugzeug abgestürzte Erzähler (in der Premiere von Rainer Hustedt dargestellt, im Wechsel mit Roman Kurtz) durch die Geschichte – eine nicht ganz leichte Aufgabe, denn die Geschichte vom kleinen Prinzen ist der heutigen Kindergeneration doch irgendwie fremd. Zum Glück leistet das Stadttheater da mit reichlich Begleitmaterial für Schulen hilfreiche Dienste. Kunze, der mit Schauspieldramaturgin Julia Figdor aus dem Buch eine für Kinder ab etwa sechs Jahren geeignete Bühnenfassung gemacht hat, hat zudem die für dieses Alter kaum zu verstehende Affenbrotbaum-Szene gestrichen. Herausgekommen ist ein »kleiner Prinz«, der den Jungen und Mädchen auf sanfte Weise die Herzen öffnet und ihnen zeigt, wie es ist, in die Welt hineinzutauchen. Dass dies mit ruhigem Erzählfluss und poetischen Bildern und einer anspruchsvollen Sprache geschieht, ist zwar eine echte Herausforderung für die »Generation Nintendo«, die schnelle Schnitte und viele Eindrücke auf einmal gewohnt ist, aber eben auch das, was Theater in einer sich immer schneller drehenden Welt leisten kann: Verzaubern mit Sprache und Bildern und die Herzen öffnen. Karola Schepp, 11. November 2011, Gießener Allgemeine Zeitung