Die Liebe der alten Männer - Wetzlarer Neue Zeitung

13.10.2011

Die Liebe der alten Männer

TiL-Premiere verbindet Philosophie mit possierlichem Humor

Mit "Enten-Variationen" zum 50-jährigen Bühnenjubiläum von Rainer Domke zeigt das Theater im Löbershof (TiL) ein Glanzstück. Wer ein Fan des bewährten Gießener Schauspielers ist, sollte sich das Kammerstück auf der Studiobühne in keinem Fall entgehen lassen.

Der perfekte Partner in dem Zwei-Personenstück ist Harald Pfeiffer. Und da sich auch Christian Lugerth (Inszenierung) und Bernhard Niechotz (Bühne und Kostüme) allerhand hübsche Details haben einfallen lassen, belohnte das Premierenpublikum am Freitagabend alle Beteiligten mit einem Riesenapplaus.

Ein Handy klingelt, damit geht es los - der Zuschauerraum ist noch hell erleuchtet. Zwei ältere Männer kommen auf die Bühne, tasten sich durchs sorgsam installierte Schilf. "Da ist ein Boot", ruft Emil Vare (Rainer Domke) und George S. Arnovitz (Harald Pfeiffer) widerspricht. Denn Streit und Annäherung, sie bestimmen die Freundschaft der beiden älteren Männer, die sich auf der Parkbank am See täglich treffen.

14 kurze Szenen entwirft der 1947 in Chicago geborene Dramatiker David Mamet für das Stück. Alle sind von Gesprächen über Leben und Tod bestimmt, es geht um Krankheiten und Alleinsein und um die Rolle der Natur.

Die Dialoge sind auf der einen Seite philosophisch, werden aber auf der anderen Seite auch kurzweilig und witzig in Szene gesetzt. Denn stets geht es im Gespräch nicht etwa um Menschen, sondern um Enten. Und so erhalten die existenziellen Fragen des Seins doch gleich eine viel possierlichere Dimension.

Zum Gießener Bühnenjubiläum geht es in den Enten-Variationen um Leben und Tod

Als "sehr einfach" hat der amerikanische Autor selbst sein Stück "The Duck Variations" bezeichnet, als er es 1972 als damals gerade 25-jähriger Newcomer auf die Bühne brachte. Doch so einfach ist das Werk natürlich nicht, dafür sind die Dialoge zu tiefgründig und treffsicher, die Personen zu ausgeprägt. Autor Mamet wurde in seinen späteren Stücken durch Schimpfwörter bekannt, beim Schreiben soll er durch Streitereien und die Scheidung der Eltern beeinflusst worden sein.

Den "Enten-Variationen" aber liegt eine andere Geschichte zu Grunde: Mit seinem Opa und dessen Freund war der Dramatiker als kleiner Junge öfters am Michigan-See unterwegs und hat dabei den Gesprächen der alten Männer gelauscht. Der Ton zwischen den beiden Protagonisten des Theaterstücks in Gießen ist durchaus liebevoll, wenn auch oft von Altersstarrsinn und einer eigenartigen Distanz durchbrochen. Aber Liebe und Freundschaft müssen sein, da sind sich beide sicher. "Allein kannst du nicht leben", sagt Emil einmal. "Nichts was lebt, kann allein leben. Blumen. Nie findest du nur eine Blume. Bäume. Enten."

Rainer Domke ist in seinem Element, mal nachdenklich, mal verschmitzt, mit kleinen ausdrucksstarken Gesten. Und Harald Pfeiffer in seinem amerikanischen Outfit mit Schlips und dezentem Westernhut kann auftrumpfen, kann mit seinen Kenntnissen über Naturgesetze ein bisschen prahlen, um sich dann doch wieder reumütig seinem Gefährten zuzuwenden. Immerhin wird bei den von den zwei Querköpfen verkündeten Wahrheiten eines deutlich: Es handelt sich hier um ein absolut aktuelles Stück. Wenn sie die Verschmutzung der Stratosphäre oder die riesigen Ölteppiche auf den Meeren beklagen, ist kaum zu glauben, dass die Uraufführung aus dem Jahr 1972 stammt.

Bei allen Szenen ist der Zuschauer sich dabei nicht sicher: Wo spielt die Geschichte überhaupt? Ist der Treffpunkt gar nicht der Park, sondern ein Wohnzimmer? Sofa, Lampe, Perserteppich und Fernseher deuten darauf hin. Vielleicht sehen wir gar in ein Altenheim? Doch da sind andrerseits das Schilf, der Abfalleimer und die Enten - sie tauchen zum Schluss immerhin im Fernseher auf. Im Grunde ist das aber auch nicht wichtig, jeder Zuschauer darf sich sein eigens Bild entwerfen.

Wichtig sind die Dialoge und die ausgezeichneten Schauspieler. Und Regie und Bühnenbild tragen dazu bei, ihre Szenen abwechslungsreich zu gestalten. Mit Spazierstöcken, Ferngläsern und frischen Bananen kommen immer wieder Requisiten auf die Bühne, die den Darstellern die Gelegenheit nicht nur zum Reden, sondern auch zum Agieren bieten.
Ulla Hahn-Grimm, 10.10.2011, Wetzlarer Neue Zeitung