„Kleiner Prinz“ im Stadttheater: Kinder von zauberhaftem Bühnenbild begeistert - Gießener Anzeiger

11.11.2011

„Kleiner Prinz“ im Stadttheater: Kinder von zauberhaftem Bühnenbild begeistert

Premiere des Familienstücks „Der kleine Prinz“ in der Inszenierung von Abdul-M. Kunze

Gerade zur Advents- und Weihnachtszeit besinnen sich viele Menschen auf die wohl wichtigsten Werte unseres Seins, die im hektischen Alltag allzu oft vergessen werden: Freundschaft und Menschlichkeit. Umso passender scheint es da, dass das Stadttheater Gießen als Familienstück zur Weihnachtszeit den „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry auf die Bühne bringt. Gestern Vormittag war Premiere.
Während das 1943 im Exil veröffentlichte Stück für Kinder ein fantasievolles, modernes Märchen ist, stellt es für Erwachsene eine Ode an die Freundschaft dar und bricht auf bezaubernde Art und Weise eine Lanze für das Zwischenmenschliche. Die Inszenierung von Abdul-M. Kunze wird beiden Aspekten gerecht.
Unter freiem Himmel
Während die Erwachsenen versonnen den berühmten Zitaten des Werkes wie „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ aus dem Mund des Fuchses (Milan Pešl) lauschen, dürften die Kinder eher von dem eindrucksvollen Bühnenbild von Thomas Döll und den verspielten Kostümen von Bernhard Niechotz begeistert sein: Eine schwarze Fläche voller strahlender Lämpchen und Lichtbogen erweckt einen so räumlichen Eindruck, als sehe man unter freiem Himmel direkt das Firmament. Die Planeten, die der kleine Prinz (Pascal Thomas) auf seiner Reise erkundet, sind niedliche, bunte Gebilde in grellen Farben, mal mit löffelartig, dann wieder mit Knubbeln besetzt, die an Trickfilmdarstellungen aus den 80ern erinnern lassen. Selbst die planetaren Bewegungen innerhalb des Sonnensystems werden durch Drehbewegungen dargestellt. Dazu ein Sandhügel, der neben der Wüste aus der Anfangssequenz auch eine Mondlandschaft symbolisiert und sich durch den Einsatz der Drehbühne immer wieder neu an den Blickwinkel anpasst. Die Flüge des Prinzen durch das All werden von den Musikkompositionen von Christian Keul untermalt; auch wechseln auf jedem Planeten die Farben der kleinen Lämpchen am Firmament.
Lachen über Schlange
Die Kostüme lehnen sich an die Illustrationen im Buch von Saint-Exupéry an, zeigen aber deutlich mehr Detailverliebtheit. So ist der Umhang des Königs (auch Milan Pešl) nicht nur überdimensional groß, sondern nimmt in seiner Breite in strahlendem Rot die gesamte Bühnenbreite ein. Unbequem ist ganz sicher das Kostüm der Schlange (Mirjam Sommer), das sich als Art überdimensionaler Plüsch-Schlafsack mehrere Meter in die Länge zieht und besonders beim Bühnenabgang die Lacher der Kinder auf sich zog. Strahlend schön ist das Kostüm der Rose. Mirjam Sommer spielt bei der Premierenbesetzung diese mit der nötigen Eitelkeit und emotionalen Härte, sie mimt eine kühle Diva, die den Prinzen abblitzen lässt. Pascal Thomas gibt den kleinen Prinzen in Schlaghose und Schal auf betont kindlich-naive Weise, wenn er mit großen Augen das Universum und schließlich auch die Erde erkundet. Sebastian Songin erinnert als Eitler ungemein an Johnny Depps Verkörperung des verrückten Hutmachers in Tim Burtons „Alice im Wunderland“. Nicht zu vergessen Rainer Hustedt als Pilot, der als Ich-Erzähler am Anfang und Ende des Stückes auf nüchterne Art von seiner Begegnung mit dem kleinen Prinzen berichtet.
Trotz Rollenvielfalt kommt das Stück mit nur fünf Darstellern aus, schlüpfen die Akteure während der Aufführung in unterschiedliche Charaktere. Auf die vermeintlich politischen Bezüge des Stückes verzichtet die Gießener Inszenierung und setzt stattdessen auf die ethisch-zwischenmenschlichen Anspielungen. „Die Menschen haben keine Freunde mehr, weil es keine Kaufläden für Freunde gibt“, sagt der Fuchs, und die Blume mahnt zum Durchhaltevermögen und zur Zielstrebigkeit: „Ich muss zwei oder drei Raupen aushalten, wenn ich die Schmetterlinge kennenlernen will“.
Und ja, Freundschaften bedeuten auch Verantwortung, denn „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast“.
Sabine Glinke, 11. November 2011, Gießener Anzeiger