Märchenherz für junge Leute - Gießener Anzeiger

25.10.2011

Märchenherz für junge Leute

Jugendstück „Märchenherz“ in einfühlsamer Inszenierung von Angela Khuon-Siefert im TiL

Eine sehr positive Aufnahme fand die Premiere des Jugendstücks „Märchenherz“ von Philip Ridley in der Inszenierung von Angela Khuon-Siefert im Bühnenbild von Udo Herbster am Sonntag im Theaterstudio im Löbershof (TiL). Besonders die jungen Zuschauer folgten der runden Sache mit großer Aufmerksamkeit.
Schön spannend geht es los, wenn Kirsty (Anne Berg) ins leere und stockfinstere Gemeindezentrum kommt und dort den etwas merkwürdigen, aber sympathisch fantasiereichen Gideon (Lukas Goldbach) trifft. Kirsty steckt mitten im Seelendilemma: Ihre Mutter ist tot, und ihr Vater will sich neu verloben. Sie findet die Neue so furchtbar, dass sie von ihrer eigenen Geburtstagsparty abgehauen ist. Gideon, der Stiefsohn des Hausmeisters, hat kein regelmäßiges Leben hinter sich, mit seiner Mutter lebte er schon in besetzten Häusern oder im Wohnwagen. Jetzt hat er einen Ruhepunkt im Gemeindezentrum gefunden und wird durch Kirstys Besuch rausgebracht.
Regisseurin Angela Khuon-Siefert studierte in Konstanz Germanistik und Geschichte und sammelte zugleich Erfahrungen als Regie- und Dramaturgieassistentin am Stadttheater Konstanz. Sie realisierte diverse Inszenierungen in Lübeck, Konstanz und Essen. 2008 wurde ihr Stück „Die furiosen Drei“ erfolgreich am Staatstheater Kassel uraufgeführt.
In „Märchenherz“ finden zwei Figuren durch die gemeinsame Ebene der Fantasie und des Theaters zusammen. Gideon: „Das sind Geschichten, die helfen dir, Dinge auf die Reihe zu kriegen“, eine sehr charmante Definition. Die Regie lässt die beiden sich erst überzeugend erforschen und dann immer mehr brauchbare Gemeinsamkeiten finden. Berg und Goldbach machen das sehr präzise und emotional glaubwürdig. Khuon-Siefert findet hier die dringend erforderlichen choreografischen und mimischen Mittel, um das Stück am Rollen zu halten. So wird beginnende Freundschaft nicht nur erzählt, sondern sichtbar.
Besonders ansprechend sind die Aktionen der beiden, die in der Fantasie stattfinden und mit nur minimalen Mitteln realisiert werden. Darstellerisch ist das sehr gut umgesetzt. So verfolgt man die Suche nach dem leuchtenden Marienkäfer und die differenziert gestaltete und dezent pointierte Entwicklung einer Freundschaft mit nicht nachlassendem Interesse, was auch an Andreas Peglers sorgsamer und zwanglos origineller deutscher Fassung liegt.
Der versierte Bühnen- und Kostümbildner Udo Herbster hat sich für „Märchenherz“ aufs Ärgste beschränkt und schafft dabei dennoch durchaus sinnfällige Stimmungen; besonders Lukas Goldbachs Kostüme sind originell. Und mit dem wunderhübschen Schlussbild endet die Geschichte emotional unaufdringlich, doch in schönstem Dur. Riesenbeifall.
Heiner Schultz, 25.10.2011 Gießener Anzeiger