Der Endorphinkick für die Seele - Gießener Allgemeine Zeitung

23.10.2012

Im Stadttheater: Schmachtigallen reisen ins Glück

Der Endorphinkick für die Seele: Das Gesangsquartett feiert im Stadttheater mit seinem neuen Programm »Reise ins Glück« bejubelte Premiere.

Nachtigallen sind Zugvögel. Die Schmachtigallen sind es seit Samstag auch. Das Reisefieber hat sie gepackt. In ihrer nunmehr sechsten Produktion zieht das Gesangsquartett rund um die Welt. Der unterhaltsame Rundflug entstammt der Feder von Henry Arnold, der nach den musikalischen Abenden »Väter« und »Mann-O-Money«, auch das neuste Programm »Reise ins Glück – mit den Schmachtigallen hin und weg« in Szene gesetzt hat. Die Show feierte im Stadttheater viel beklatschte Premiere.

Mit der Reise-Revue knüpft Arnold an den Erzählfaden von »Mann-O-Money« an. Hat es dort mit der dicken Kohle nicht so recht geklappt, muss nun ein Weg gefunden werden, die persönliche Finanzkrise zu vergessen. Mit dem Tapetenwechsel wollen Kelle (Roland Furch), Zocki (Severin Geissler), Manni (Jan Hoffmann) und Dr. Schneider (Martin Ludwig) ihrem Selbstbewusstsein eine Frischzellenkur verpassen.

Fortuna auf den Fersen

Der Weg ist das Ziel. Das kann ja heiter werden – doch schnell werden auch die Grenzen des Abenteuers sichtbar: Fortuna ist nicht leicht zu fassen. Neben treffsicherer Parodie, Slapstick und humorgesättigtem Männertalk hat die Inszenierung auch ihre nachdenklichen Momente. Dr. Schneider räsoniert: »Die Vorstellung von der Fremde ist immer größer als das, was wir tatsächlich vorfinden.«

Das Rad der Fortuna steht keinen Moment still: Wo es hinauf geht, da geht es auch wieder hinab. Doch mit ihrer legendären Nonchalance tauchen die vier Schmachtigallen auch aus diesem Wechselbad der Gefühle immer wieder unbeschadet auf.

Um der Fantasie größtmöglichen Spielraum zu lassen, hat das Regieteam bei Bühne und Kostüm (Thomas Döll) fast gänzlich auf realistisches Dekor verzichtet. Eine Hängematte, einige Cocktailgläser oder ein Tisch zusammen mit stimmungsvollen Lichtwechseln (Manfred Wende) deuten an, wohin die Reise geht. Mit surrealistischer Raffinesse und überspringender Lust an Selbstinszenierung überwinden die Schmachtigallen Sprachbarrieren und Landesgrenzen – Raum- und Ortswechsel flattern vorüber. Zurück auf den Boden der Tatsachen bringen die vier gelegentlich nur zwei eindringliche Stimmen aus dem Off – die der beiden honorigen Stadttheater-Schauspieler Petra Soltau und Roman Kurtz.

So weltumspannend wie die Reiseroute ist auch die Musikauswahl (Arrangements: Severin Geissler). Ein breit gefächertes Repertoire von Schlagern, Evergreens und mitreißenden Popsongs rührt mal das Herz oder muntert zum rhythmischen Mitklatschen auf. Ob »Frankreich, Frankreich«, »Volare«, »Copa Cabana«, »Born to be wild« oder »Route 66« – überall trifft das charmante Quartett den richtigen Ton.

»Eine Stadt wie du und ich«

Lokalkolorit der jeweiligen Zeit- und Klimazone werden über den wohlklingenden Bigband-Sound der fünfköpfigen Live-Band wirkungsvoll zu Gehör gebracht. In der Choreografie von Anthony Taylor und Claudia Storck, die den Schmachtigallen einiges an Können abverlangt, spiegeln sich die Stationen der Reise.

Zum krönenden Abschluss gab es am Samstagabend ein musikalisches Dankeschön an das Gießener Publikum. Die Schmachtigallen überraschten die Zuschauer mit dem eigens für das Programm komponierten Titel »Gießen, eine Stadt wie du und ich«. Unter frenetischem Beifall fand der turbulente Abend erst nach einer dritten Zugabe sein Ende.

»Reise ins Glück« ist ein Endorphinkick für die Seele – eine sinnenfrohe Musikshow mit anhaltendem Unterhaltungswert. Auch an der sechsten Produktion werden die Fans des Gesangsquartetts viel Freude haben. Warum also in die Ferne schweifen, wenn das Gute musiziert so nah?

Marko Karo, 22. Oktober 2012, Gießener Allgemeine Zeitung