Tiefes Einfühlungsvermögen für Details - Gießener Anzeiger

14.02.2013

Einen glänzenden Erfolg konnten die Beteiligten des 6. Sinfoniekonzerts am Dienstag im Stadttheater verbuchen. Unter der souveränen Leitung des stellvertretenden Generalmusikdirektors Florian Ziemen lieferten Solistin Sophie Heinrich, Gastsolist Julian Himmler und nicht zuletzt das Philharmonische Orchester ganz ausgezeichnete stimmungsvolle musikalische Leistungen ab.
Etwa fünfhundert Besucher hatten den Faschingsdienstag dem Genuss der klassischen Musik gewidmet und freuten sich auf ein Programm mit Werken von Leos Janácek, Jean Sibelius und Paul Hindemith. Schließlich gelten die Sinfoniekonzerte als sichere Bank in Sachen niveauvoller Unterhaltung.

Schon im Auftakt mit Janáceks Ouvertüre „Eifersucht“ brachte Ziemen eine starke emotionale Dynamik zur Geltung, das Orchester spielte knackig, ganz konzentriert und rund - perfekt. Das galt ebenso für die Eröffnung der zweiten Hälfte mit Janáceks Ouvertüre zu „Sarka“. Die erklang vielfarbig, war mehr erzählerisch musiziert und zeigte schöne Stimmungskontraste.

Jean Sibelius‘ Konzert für Violine in d-Moll op. 47 war der erste Hauptgang. Als Solistin agierte erstmals in Gießen Sophie Heinrich, Jahrgang 1981. Sie ist bereits international hocherfahren und errang mehrere renommierte Preise. Sie konzertierte mit den Hamburger Symphonikern, dem Münchner Kammerorchester, dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt und der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie. Seit 2009 ist sie Dozentin mit Lehrauftrag für Violine an der Musikhochschule Lübeck.

Aus dem Stand vollzogen Ziemen und Heinrich eine leuchtende instrumentelle Klangverschmelzung und differenzierte Zusammenarbeit auf höchstem Niveau. Heinrichs Ton, klar, stark und strahlend, noch dazu intern differenziert, war schlicht herausragend. Dazu kam eine Intonation, die von tiefem Einfühlungsvermögen und Kenntnis noch des letzten Werkdetails zeugte. Ihre meisterliche Technik diente jedoch nur dem authentischen Gefühl ihres ganz persönlichen Vortrags. Ziemen zeigte schon im Allegro moderato eine wunderbare emotionale Differenziertheit, bei der ihm ein superb geschlossen musizierendes und hoch motiviertes Orchester die Arbeit erleichterte; die Philharmonie federte förmlich durch die Musik - auch weiterhin. Der Abschluss mit dem Allegro ma non tanto gelang ihm dann auch vollkommen überzeugend. Riesenapplaus für beide Künstler.

Gastsolist Julian Himmler leitete mit dem zweiten Satz Adagio, ma non troppo aus dem Violoncello Konzert von Antonin Dvorak in h-Moll, op. 104 die zweite Hälfte ein. Auch er ist ein erfahrener Solist; er wurde mehrfach beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ mit einem Bundespreis ausgezeichnet und ist seit 2006 Stipendiat der Yehudi-Menuhin-Stiftung „live music now“, seit Januar 2007 auch Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung. Getragen von einer mustergültig zuarbeitenden Philharmonie musizierte er mit exzellent kantablem, persönlichem Ton, glut- und seelenvoller Emotionalität und fabelhafter Klarheit und Dichte des Ausdrucks - eine vollkommen überzeugende Leistung.

Das Finale bildeten Paul Hindemiths sinfonische Variationen über Themen von Carl Maria von Weber. Nach einem schwungvoll, kompakt und klar durchhörbar musizierten Allegro bewies Ziemen im zweiten Satz (Turandot, Scherzo, Moderato) erneut seine große Fähigkeit, die Binnendifferenzierung: Ganz klar und farbig wurden hier die Stimmungen entfaltet und besonders im Scherzo die Dinge geradezu bildhaft verdeutlicht. Ein rechtes Zwischenglanzlicht war das ganz fein differenzierte Andantino. Und der vierte Satz (March) geriet mit einem souverän verhaltenen, auf den Punkt musizierten Finale zum krönenden Abschluss eines rundum überzeugenden Vortrags. Riesenbeifall.

Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht ging Leiter Florian Ziemen nach Entgegennahme von Applaus und Blumen schließlich von der Bühne ab. Dazu hatte er auch allen Grund: Das hatte nun wirklich gesessen.

Heiner Schultz, 14.02.2013, Gießener Anzeiger