Vergangenheit und Gegenwart geschickt miteinander verknüpft - Gießener Anzeiger

19.03.2013

Sehenswerte Inszenierung der Kinderoper „Brundibar“ von Hans Krása


Der junge Schüler Tom wird in einer Ausstellung vergessen, die Türen werden verschlossen. Er bleibt allein zurück. Nachts erwachen die Figuren zum Leben, und der Komponist Hans Krása, glänzend verkörpert von Martin Gärtner, lädt Tom zum Zuschauen ein: So beginnt die Oper „Brundibar“. Erzählt wird die Geschichte des dunkeln, diabolischen Leierkastenmanns, der keine andere Musik um sich herum duldet.

Das Musizieren ist aber das Einzige, was die beiden Geschwister Aninka und Pepicek können, um so Milch für ihre kranke Mutter kaufen zu können. Durch den Mut der Kinder und unter Mithilfe einiger listiger Tiere schaffen sie es, den Bann, der Menschen an Brundibar fesselt, zu lösen und den bösen Brundibar zu vertreiben.

Der jüdische Komponist Hans Krása schrieb die Oper 1938 in einem Prager Kinderheim. Nach seiner Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt führte er sie dort über 50 Mal mit Kindern auf, immer mit einer wechselnden Besetzung, weil die Kinder von den Nazischergen ermordet wurden. Dieser Tatsache trägt die jetzt im TiL-Studio laufende Inszenierung sehr geschickt Rechnung, indem die Geschichte der Oper durch eine kleine Ausstellung vorab gezeigt wird, aus der sich anschließend die Handlung entwickelt.

Durch diesen genialen Trick wird die Gegenwart spielerisch mit der Handlung verknüpft.

Zwar handelt das Stück nicht vom Nationalsozialismus, jedoch werden die Parallelen von dem Spielleiter Oliver Meyer-Ellendt mit einer erschreckenden Deutlichkeit umgesetzt, ohne plakativ zu werden. Musikalisch laufen alle Fäden beim Leiter des Kind- und Jugendchores, Martin Gärtner, zusammen. Er verkörpert zudem den Komponisten, der den Schüler Tom mit in seine Spiel- und Wirklichkeitsebene mitnimmt. In dieser Rolle kann er zudem das Orchester der Musikschule Gießen dirigieren und führen. Die Leistungen der jungen Musiker sind rundum als tadellos zu bewerten, sie interpretieren die musikalisch anspruchsvollen Melodien glänzend. Gärtner führt die jungen Talente des Kinder- und Jugendchors behutsam an die gesanglichen Klippen des Werks heran, so dass sie ihre spielerischen und gesanglichen Leistungen voll entfalten können und dennoch das bleiben, was sie sind: Kinder. Sie spielen ausdrucksstark, ohne von dem geschichtlichen Hintergrund, der den Erwachsenen manchmal den Atem stocken lasst, erdrückt zu werden. Es ist eine Operinszenierung, die zum Nachdenken anregt, für Kinder und Erwachsene gleichermaßen.

Mitwirkende: Samri Kanse/Hendrik Wagner (Tom), Louisa Merz/Kassandra Niedecken (Aninka), Lorenz Oehler/Hendrik Wagner (Pepicek) Laila Friege/Josi Kurz (Bäcker, Hund), Juliana Kraus/Salome Niedecken (Milchmann, Katze), Selma Gießmann/Rebecca Kaufmann (Eismann, Spatz), Sebastian Beck/Georgia Benner (Brundibar) sowie Sasakia Beck, Karl Bernadeau, Cara Eckerl, Cleopatra Herring, Hannah Kircher, Julian Littmann, Franziska Löber, Pauline Müller, Desiree Schinzl, Noelle Sommer, Lily Stahl Francesco Tallarico, Sine-Marie Voltz, Nele Wack, Ricarda Weigmann, Naomi Wellnitz als Passanten und Schüler; sowie das Orchester der kommunalen Musikschule Gießen unter der Leitung von Martin Gärtner.

Weitere Vorstellungen 21. März, 17 Uhr; 14. April, 15 Uhr und 18 Uhr jeweils im TiL.

Barbara Czernek, 19.03.2013, Gießener Anzeiger