Viel Beifall für Tarek Assams Tanzstück „Dornröschen“ - Wetzlarer Neue Zeitung

04.10.2012

Ehre wem Ehre gebührt
Viel Beifall für Tarek Assams Tanzstück „Dornröschen“


Kein Zweifel, das Tanzensemble um Ballettdirektor Tarek Assam ist längst eines der wichtigsten Aushängeschilder des Stadttheaters.
Spielzeit um Spielzeit stellt sich die mit höchsten Erwartungen verbundene Frage: Können Assam und die Seinen an die Erfolge aus den Vorjahren anknüpfen? Warum viel Umschweife machen: Sie können. Und erneut hat die Truppe bei der Premiere von „Dornröschen“ bewiesen, dass diese Frage längst rhetorisch ist.
Denn wie schon in vergangenen Spielzeiten – erinnert sein etwa an den „Sommernachtstraum“ und „Macbeth“ – ist dem gesamten Ensemble auch diesmal nicht weniger gelungen, als einen glänzenden Saisonhöhepunkt auf die Bühnen am Berliner Platz zu bringen. Von A wie Ausdruck über P wie Präzision bis Z wie Zauber – kein Wunsch bliebn offen bei dem von Assam gestalteten Tanzstück mit Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Henry Mancini und anderen.

Nebenbei, das dürfte auch das Publikum so gesehen haben, denn als nach rund zwei Stunden der letzte Vorhang fiel, brach ein echter Beifalls Sturm los. Das zwischenzeitlich eingeschaltete Saallicht wurde wieder abgedreht, als die Besucher minutenlang weiter applaudierten. Es gilt der Satz: Ehre, wem Ehre gebührt. Doch jetzt mal Butter bei die Fisch: Was gibt es zu sehen? Angefangen beim Bühnenbild von Fred Pommerehn und Bernhard Niechotz. Die beiden haben als Hintergrund eine Reihe meterhohe goldfarbene Paneele geschaffen, die den Szenen am Königshof den richtigen Glanz verleihen und in dämonischen Momenten gewendet werden können, um Düsternis auszustrahlen. Mit einfachen Mitteln wird reichlich Atmosphäre in den Raum gebracht, wobei die Kulisse ihre größte Wirkung entfaltet, als der Hof verwunschen und in Tiefschlaf gefallen ist. Denn in diesem Augenblick wird die gesamte Szenerie mit vielfarbigen Schnüren, die an ein Spinnennetz erinnern, angereichert und ordentlich aufgepeppt.

Apropos Pep. Den haben auch die bunten und gefälligen Kostüme von Gabriele Kortmann und die fein abgestimmten Lichteffekte von Manfred Wende. Kurzum, allein auf Ebene der Bühnenoptik macht „Dornröschen“ schon richtig Spaß, den die Tänzer noch zu steigern wissen.

An erster Stelle Mamiko Sakurai, die eine reizende und unbeschwerte Prinzessin Aurora ertanzt. Sie wächst am Hof ihrer Eltern – sehr präsent: Marco Barbieri und Lea Hladka – auf, doch das Glück währt nicht lange. Denn die rachsüchtige Carabosse, Magdalena Stoyanova, glänzt als bösartiger Kobold, verwünscht den gesamten Hof, der in Tiefschlaf fällt.

Der Prinz besiegt das Böse

Erst dem Prinzen, dem Keith Chin kraftvollen Ausdruck gibt, und der Fee Lila, Hsioa-Ting Liao als das durchaus wehrhafte Gute von Format, gelingt es, die böse Magie aufzuheben. Das ist die Geschichte, die das zahlreiche weitere Tänzer umfassende Ensemble in funkensprühenden und federleichten Choreografien auf die Bühne bringt. Hut ab vor dieser Leichtigkeit, die mit tänzerischer Präzision und einem Schuss Humor daherkommt und ihren Zauber in diesem Dreiklang voll entfaltet. Das Fazit: Freunde des Tanztheaters und solche die es werden wollen, sollten sich diese Inszenierung nicht entgehen lassen.

Stephan Scholz, 02. Oktober 2012, Wetzlarer Neue Zeitung