Virtuoses Sinfoniekonzert im Stadttheater - Gießener Allgemeine Zeitung

14.02.2013

Das Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters unter dem Dirigat von Erstem Kapellmeister Florian Ziemen wurde am Dienstagabend im Stadttheater mit viel Beifall bedacht.
 
Spannungsreich, hoch emotional und von immenser Virtuosität – das Sinfoniekonzert des Philharmonischen Orchesters unter dem Dirigat von Erstem Kapellmeister Florian Ziemen entwickelte sich im Stadttheater zu einem Kaleidoskop der schönen Stimmen.

Mit dem Konzert für Violine in d-Moll op. 47 von Jean Sibelius und den »Sinfonischen Variationen über Themen von Carl Maria von Weber« aus der Feder von Paul Hindemith markierte Ziemen zwei dynamische Eckpfeiler, die ergänzt wurden von Ouvertüren Leos Janaceks und dem Mittelsatz aus Antonin Dvoraks Cellokonzert h-Moll op. 104.

Der Sibelius hatte es am Dienstagabend in sich. Solistin Sophie Heinrich ließ das Violinkonzert des finnischen Meisters aus dem beginnenden 20. Jahrhundert mit variablem Strich aufblühen. Die Gewinnerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe machte mit ihrem zwar etwas harten, aber technisch ausgereiften Tonfall das Werk zu einem Hörgenuss – selbst die Huster im Saal verstummten ob der Grandezza.

Da Sibelius in jungen Jahren selbst als Geiger auftrat, wusste er genau, was er dem Solisten in seinem einzigen Konzert für diese Gattung abverlangen konnte. Natürlich legte er ein Schippchen drauf. Heinrich bewältigte das anspruchsvolle Material mit den unzähligen Doppelgriffen – die sie in den Oktav-varianten in der Stretta des Finales so beiläufig meisterte, als wären sie das selbstverständlichste auf dieser Welt – mit beachtlicher Geschmeidigkeit.

In der Schlusskadenz des ersten Satzes liefen Solistin und Orchester, das bis dahin nur mittelprächtig, weil zu zurückhaltend, begleitet hatte, zur Höchstform auf. Das Adagio als Mittelsatz becircte mit einem weitläufigen Geigenthema und läutete den Furor betreibenden Finalsatz ein, in dem Heinrich ihr komplettes Spielvermögen in die Waagschale warf und für ein überschäumendes Ergebnis sorgte. Nach reichem Beifall aus dem nicht voll besetzten Saal glänzte sie in der Zugabe mit einem Bach-Praeludium.

Hindemith komponierte seine »Sinfonischen Variationen über Themen von Carl Maria von Weber« 1943 in New York. Folglich sind dem Stück internationale Wendungen eigen, wie sich an Jazzelementen und dem intensiven Gebrauch des Schlagwerks ablesen lässt. Ziemen und sein Orchester fanden hörbaren Spaß an der Umsetzung. Querflöte, Klarinette, Oboe und Fagott mauserten sich zu einer unschlagbaren Einheit. Die zwingende Harmonie untereinander und der absolute Wille zum reinen Klang gewannen die Oberhand sogar über den formidabel aufspielenden Streicherchor, der sich in der Partitur immer wieder wirkungsvoll in Szene setzen darf.

Hindemiths Komposition basiert auf zwei Weber’schen Klavierstücken und der »Turandot«-Ouvertüre. Der gebürtige Hanauer hat die Themen, wie er 1940 bekannte, lediglich »ein bisschen schärfer gemacht« – eine freundliche Untertreibung. Die Schärfe arbeitete Ziemen explizit heraus. Er setzte auf die brillante Orchestrierung, die vor Einfällen nur so wimmelt, wie etwa einer chinesischen Melodie im »Scherzo«, der auffälligen Pentatonik, die dem Stück Drive verleiht, und nicht zu vergessen den ausgedehnten Schlagzeugsoli – wie beseelt agierte Joachim Michelmann an seinen Pauken. Der abschließende Marsch, in dem die ironische Verfremdung und die Volkstümlichkeit des Ausgangsmaterials zu einer Einheit verschmelzen, war ein Höhepunkt dieses rundum gelungenen Konzertabends.

Die beiden Janacek-Ouvertüren, »Eifersucht« und jene zur Oper »Sarka«, dienten Ziemen als Vorspiel für die beiden tragenden Partien. Als Hochschulgast aus Frankfurt spielte Cellist Julius Himmler gemeinsam mit dem Orchester einen spannungsreichen und solide ausformulierten Mittelsatz aus Dvoraks h-Moll-Cellokonzert.

Manfred Merz, 14.02.2013, Gießener Allgemeine Zeitung