Ohrwürmer der Comedian Harmonists leben in Revue der „Schmachtigallen“ munter fort - Gießener Anzeiger

10.04.2014

Das hätten sich die Gründungsmitglieder des legendären Berliner Vokalensembles 1927 bestimmt nicht träumen lassen: Fast 90 Jahre später strömen die Menschen immer noch ins Theater, um die unvergänglichen Songs der Comedian Harmonists zu hören. Allen Verboten und Ausgrenzungen der Nazis zum Trotz sind die Lieder des Sextetts bis zum heutigen Tag zeitlos und populär geblieben.

Die „Schmachtigallen“ haben nach zehn Jahren ihre erfolgreiche Hommage an die Comedian Harmonists noch einmal auf die Bühne des Stadttheaters gebracht. Aus der Boy-Group ist inzwischen eine Men-Group geworden, was dem Wohlklang ihrer Stimmen und der Präsentation der Musik keinen Abbruch tut. Das beliebte Gesangsquartett mit Roland Furch, Severin Geißler, Jan Hoffmann und Martin Ludwig wird am Flügel begleitet von Andreas Sommer, der die Fäden zusammenhält und gestreng darauf achtet, dass der Berliner Dialekt bei „Ick hab für dir ‘nen Blumentopp bestellt“ korrekt angewendet wird. In einer 90-minütigen Revue im Stil der 30er Jahre nehmen die befrackten „Schmachtigallen“ das Publikum mit auf eine kurzweilige Zeitreise, in der sie sowohl die ungeheure Erfolgsgeschichte der Comedian Harmonists als auch deren Niedergang und Zerfall erzählen.

Im Vordergrund stehen allerdings die Songs. So erklingen viele Ohrwürmer der 20er und 30er Jahre. „Mein kleiner, grüner Kaktus“ darf ebenso wenig fehlen wie „Veronika, der Lenz ist da“ oder „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“. Sie werden liebevoll und herrlich selbstironisch inszeniert, sodass jedes einzelne Lied eine besondere Interpretation erfährt. Bei „Schöne Isabella von Kastilien“ werden rote Taschentücher zum imaginären Stierkampf eingesetzt, und die Sonnenbrillen bei „Wochenende und Sonnenschein“ vermitteln Urlaubsstimmung. Zuschauerinnen werden von den Herren auf der Bühne angeschmachtet und mit roten Rosen bedacht. Wer braucht schon ein Orchester, wenn die „Schmachtigallen“ alle Instrumente perfekt imitieren können?

In Erinnerung bleiben aber vor allem die besinnlichen Momente, wenn es im Zuschauerraum ganz still wird und wie bei den Volksliedern „In einem kühlen Grunde“ und „Guter Mond, du gehst so stille“ das ganze musikalische Können des Quartetts zum Tragen kommt. Sonore Tiefen und weiche Höhen der vier Männerstimmen verschmelzen zu einer dem Ohr wohltuenden Einheit, deren Qualität erahnen lässt, wie der große Erfolg damals zustande kommen konnte. Die Comedian Harmonists strebten nach gesanglicher Perfektion, und die „Schmachtigallen“ tun es ihnen gleich. Dabei versuchen sie zu keiner Zeit das Original zu imitieren, sondern verbinden die geniale musikalische Vorlage mit ihrer eigenen Persönlichkeit und Spielfreude. Beifallstürme und Begeisterung für eine unterhaltsame Mischung aus Sangeskunst und nostalgischer Melancholie.

Weitere Aufführungen: Ostersonntag, 20. April, um 19.30 Uhr und 25. Juni um 15 Uhr (Seniorenveranstaltung der Stadt, Vorverkauf über Seniorenbüro).

Christian Ilg, 08.04.2014, Gießener Anzeiger