Schmachtigallen mit Songs der Comedian Harmonists - Gießener Allgemeine Zeitung

10.04.2014

»Den ungebrochenen Zauber der Harmonist-Songs und das schnörkellose Erzählen einer spannenden Geschichte von Belang« verspricht laut Programm die musikalische Hommage der Schmachtigallen an die legendären Comedian Harmonists.


Auf der Stadttheaterbühne hielten die fünf Musiker dieses Versprechen. Im nicht ganz ausverkauften Haus ließ sich am Sonntag das Publikum von den heiter-beschwingten Melodien ebenso wie von den leisen und melancholischen Tönen begeistern. Die tragische Geschichte des Gesangsensembles bildete dabei nicht nur den Rahmen, sondern das Zentrum.

»Wir sind’s, die neuen Männer« erklingt es von beiden Seiten der Bühne und in der Tat, mit ihrer einzigartigen Kombination aus musikalischem Können, Witz und Charme eroberten die Originalmusiker die Konzertsäle der 30er Jahre. Mit ihrer Liebeserklärung an die »erste Boyband« meistern die Schmachtigallen den Balanceakt, die noch heute populären Melodien aufleben zu lassen, ohne deren tragische Geschichte auszublenden. Mit jedem Ton, den die vier Musiker – einst Studienfreunde, heute Solisten, Chorleiter, Gesangslehrer und Musikpädagogen – anstimmen, wird ihre tiefe Verehrung und Bewunderung für die Harmonists spürbar. Das szenische Spiel ist nicht ihre Stärke, aber durch die kleinen Erzähleinheiten machen sie eindrucksvoll die Charaktere der unvergessenen Vorbilder sichtbar und schlüpfen immer wieder in deren Rollen.

Noch sind die Klänge überwiegend heiter. Damals wie heute zaubern Songs wie »Mein Onkel Bumba aus Kalumba« oder »Veronika, der Lenz ist da« unbeschwerte Heiterkeit, während die 20er Jahre von Massenarbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise geprägt sind. »Guter Mond du gehst so stille«: Nach und nach sammeln sich die Porträts der Musiker auf der Bühne: Erwin Bootz, der Pianist aus wohlhabender Familie, der nie pünktlich ist; der vom Gedanken ein Ensemble zu gründen besessene Harry Frommermann und der Manager, Organisator, aber auch Diktator Robert Biberti. Der Bariton Roman Cycowski und der Tenor Asparuch Leschnikoff, der schon als Kind so schön sang, dass er verprügelt wurde, wenn er es nicht tat und der Lebenskünstler Erich Collin komplettieren die Gruppe.

Was sie einte, war ihre Leidenschaft für Musik und das komödiantische Geschick. Was sie trennte, der Nationalsozialismus. Alleine erfolglos machten sie gemeinsam als Comedian Harmonists mit »Veronika der Lenz ist da«, »Ein Freund, ein guter Freund« oder »Mein kleiner grüner Kaktus« Millionen. Was sie zusammenhielt war das Geld.

Als alle Bilder der Harmonist versammelt sind, überlassen die Schmachtigallen ihnen für einen bewegenden Moment die nachtblau verdunkelte Bühne (Denise Schneider), auf der mannigfach Sterne leuchten. Die »Rassengesetze« setzten der einzigartigen Karriere ein Ende, denn drei Harmonists waren Juden. Viel weiter tauchen die Schmachtigallen (Buch und Regie: Astrid Jacobs) nicht in die Lebensgeschichten ihrer Vorbilder ein, schaffen es so jedoch gekonnt, sowohl der Musik als auch den Musikern gerecht zu werden. Mit ihren harmonischen Stimmen und ansprechenden Choreografien, verkörpern sie glaubhaft das legendäre Sextett. Ihr stimmliches Können setzen sie beeindruckend ein und holen voll Inbrunst mit Nasentrompeten und Luftgeigen Orchesterklänge auf die Bühne. Ihren Charme versprühen Jan Hoffmann und Martin Ludwig (1. und 2. Tenor), Roland Furch, (Bariton) und Severin Geissler (Bass) mit Pomade im Haar, kleinen Papiermargeriten und roten Rosen, mit denen sie nicht nur weibliche Fans in der ersten Reihe becircen. Wie »Die schöne Isabelle von Kastilien« tauchen sie mit Frack und Zylinder mal im spanischen Rot, mal mit weißem Seidenschal, leidenschaftlich in ihre Rollen ein, singen und tanzen sich im Rampenlicht und als Schattenbild vor der nachtblau leuchtenden Kulisse in die Herzen der Gießener.

»Das Publikum war heute wieder wundervoll« – frenetischer Applaus ist gesichert. Dafür gibt es, nach 75 Minuten nur zwei knappe Zugaben und den Hinweis auf mehr beim Ostertermin (20. April, 19.30 Uhr). Das kostet definitiv Sympathie.

Doris Wirkner, 07.04.2014, Gießener Allgemeine Zeitung