DAS HAUPTPROGRAMM

BÜCHNER international – der Titel ist Programm! Das Stadttheater Gießen wirft neugierige Blicke auf die Spielpläne dieser Welt und lädt ein zum internationalen Büchner-Theaterfestival.

Namhafte Theatergruppen wie die Handspring Puppet Company aus Südafrika oder das Svoboda Zholdak Theatre aus der Ukraine präsentieren zeitgenössische Auseinandersetzungen aller Formen und Sparten mit dem hessischen Dichter, Wissenschaftler und Revolutionär.

Freuen Sie sich auf ein Kaleidoskop internationaler Bühnenwerke!

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Einführungen und Nachgespräche

Vor jedem Gastspiel bietet Ihnen eine halbe Stunde vor Beginn eine Einführung im Foyer der jeweiligen Spielstätte Einblicke und zusätzliche Informationen zu Inszenierung, Regie und Gasttheater.

Nachgespräche im Zelt ermöglichen jeweils ca. 20 Minuten nach Vorstellungsende einen Rahmen, um das Gesehene zu besprechen oder auch die anwesenden Darsteller oder Regisseure zu Ihrem Werk zu befragen.

Wer sich bereits mittags in einem völlig neuen Format über das Gastspiel und -land am jeweiligen Abend informieren und zu neuen Gedanken anregen lassen möchte, ist bei FREIES FELD - EINE MITTÄGLICHE ANNÄHERUNG goldrichtig. Vom 24.-29.06. laden Dramaturgie-Studentinnen der Goethe-Universität Frankfurt jeweils um 13.00 Uhr zur kreativen Vorstellung der Gäste in das Festivalzelt ein.

schwerpunkt: weltwunde woyzeck

Als wir vor anderthalb Jahren die ersten Fühler des Festivals in die Welt ausstreckten, war schon zu ahnen, dass uns viele Woyzeck-Wiedergänger begegnen würden. Aber dass beinahe drei Viertel aller Sichtungen diesem berühmten Soldat gelten würden, hat selbst uns überrascht.

„Immer noch rasiert Woyzeck seinen Hauptmann, ißt die verordneten Erbsen, quält mit der Dumpfheit seiner Liebe seine Marie, staatgeworden seine Bevölkerung“. Die Welt ist also längst nicht fertig mit diesem Fragment – und damit kann auch Heiner Müllers berühmt gewordene Rede zur Verleihung des Büchner-Preises in Darmstadt 1985 keineswegs zu den Akten gelegt werden: „Ein vielmal vom Theater geschundener Text, der einem Dreiundzwanzigjährigen passiert ist, dem die Parzen bei der Geburt die Augenlider weggeschnitten haben, vom Fieber zersprengt bis in die Orthografie, eine Struktur wie sie beim Bleigießen entstehen mag, wenn die Hand mit dem Löffel vor dem Blick in die Zukunft zittert, blockiert als schlafloser Engel den Eingang zum Paradies, in dem die Unschuld des Stückeschreibens zu Hause war.“

Auch knapp dreißig Jahre nach diesen Worten lautet die Diagnose noch immer: Wo die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte, wird Woyzeck-das-Stück weiter durch alle Theatermartyrien gehen, so wie Woyzeck-der-Mensch scheinbar ohne Ausweg zuschanden gerichtet wird, um schließlich dasselbe als tödliche Entladung seiner Marie anzutun. Diesem ruhelos-wiedergängerischen Text aber tut es anscheinend keinen Abbruch, diese Bürde zu tragen als ein quasi kunstgewordener Christus. Und er wird es weiter tun im damit verbundenen Versprechen auf die Niederkunft eines kommenden, vielleicht (für den Norden/Westen) zwiespältigen Weltwunders:

„WOYZECK ist die offene Wunde. Woyzeck lebt, wo der Hund begraben liegt, der Hund heißt Woyzeck. Auf seine Auferstehung warten wir mit Furcht und/oder Hoffnung, daß der Hund als Wolf wiederkehrt. Der Wolf kommt aus dem Süden.“ (Müller) Auf der Suche nach Büchners Wirken im Hier und Heute fühlen wir uns entsprechend verpflichtet, diesem Welt-Woyzeck im Festival den gebührenden Raum einzuräumen, um durch seinen immer wieder fiebrig-wahnhaften Blick genauer hin- und über uns selbst hinaussehen zu lernen.

Steffen Lars Popp (Festivaldramaturgie)