3:0 gegen die Eiterfee: »Fratzenfisch« im taT - Gießener Allgemeine Zeitung

22.01.2015

Unter der Regie von Andreas Mihan kommt die »Monstermusicpickelshow Fratzenfisch« auf die taT-Studiobühne. Ein höchst unterhaltsames Spektakel rund um Pusteln, erste Liebe und Lebensträume für alle ab zwölf Jahren.


Ein Pickel sagt doch nichts über den Charakter«, meint Luca. »Aber er sieht scheiße aus«, kontert Rosa, das Mädchen, für das der Junge schwärmt und das nicht mit ihm ins Kino gehen will, weil eben jenes Furunkel auf Lucas Stirn prangt. Ein Pickel kann einem Teenager eben ganz schön den Tag versauen. »3:0 für die Realität« lautet das harte Urteil in einer solchen Situation.

Andreas Mihan hat seine Monstermusic-pickelshow »Fratzenfisch« rund um ein solches Pubertätsdrama geschrieben. Unter seiner Regie, im Bühnenbild von Teresa Rinn und mit Musik von Nils Weishaupt, ist das Stück für alle ab zwölf Jahre nun auf der taT-Studiobühne zu sehen. Gunnar Seidel, der schon bei der Ein-Mann-Sagen-Performance »Orpheus« mit Mihan und Rinn zusammengearbeitet hat, spielt Luca mit herrlichem Jungencharme. Eva Anne Kessler schlüpft mit großer Spielfreude in unterschiedliche Rollen und auch Nils Weishaupt trägt als Musiker und Schauspieler in bizarrer Kostümierung zum Gelingen bei.

»Fratzenfisch«, so heißt die Band, mit der Luca berühmt werden will. Als ihm beim Ausdrücken besagten Pickels – es ist ausgerechnet der 100 000 000. – die Eiterfee erscheint und drei Wünsche schenkt, glaubt er sich am Ziel seiner Träume: Er will schöner als alle anderen sein und vor allem ein berühmter Musiker werden. Doch ein Leben als Rockstar in der »perfekten Wunschwelt« hat auch so seine Schattenseiten. Und manchmal ist es eben doch besser, ein ganz normaler Junge zu sein. Zum Glück hat Luca noch einen Reservewunsch frei. Aber dafür braucht er wieder einen Pickel zum Ausdrücken. Präsident Barack Obama, den er in einer Fernsehshow kennenlernt, weiß Rat: Ein Cheeseburger von Ronald McDonald muss her, damit die Pusteln wieder sprießen und Luca sein altes Leben, und damit auch seine Rosa, zurückbekommen kann.

Teresa Rinn, 1985 in Gießen geboren, hat für »Fratzenfisch« ein trashig-schrilles Bühnenbild entworfen. An Leinen aufgehängte Vorhänge werden zur Schultafel oder zum mit Sprüchen bekritzelten Schulklo. Und auch die Kostüme strotzen nur so vor Ideenreichtum: Da mutieren die Band-Mitglieder zu Coneheads, Lucas’ Managerin ist eine schrecklich unsympathische Person mit Beth-Ditto-Format und Barack Obama hat einen ordentlichen Schwellkopf. Es gibt viel zu entdecken für das jugendliche Publikum, das auch an der Musik – angesiedelt irgendwo zwischen Punkrock und Revolverheld – seinen Spaß hat. Einzig die etwas zu langen Pausen zwischen den einzelnen, von Licht und einem akustischen Signal klar abgegrenzten Szenen stören ein bisschen den Fluss der etwa einstündigen Show mit jeder Menge Abwechslung.

Autor und Regisseur Mihan, der in Gießen Theaterwissenschaften studiert hat, hat mit »Fratzenfisch« ein wirklich gelungenes Stück über die alltäglichen Nöte von Pubertierenden geschrieben. Zwischen Egoismus und Altruismus hin und her pendelnd, mal schroff, mal anlehnungsbedürftig, mal voller Selbstbewusstsein, mal peinlichst berührt, gibt dieser Luca den Jungen und Mädchen die Chance, sich mit ihm zu identifizieren. Das was Luca quält, haben auch sie schon erlebt. Und was er sich wünscht, davon haben auch sie schon geträumt. »Fratzenfisch« kommt nicht belehrend daher, sondern begegnet dem jugendlichen Publikum quasi auf Augenhöhe, spricht deren Sprache – ohne sich anzubiedern. Mit Begeisterung lassen sich die jungen Zuschauer sogar von Luca Autogramme auf den Arm schreiben. Und im Publikum verteilte Fans schaffen mit Transparenten und Gekreische Konzertatmosphäre. Am Ende der Premierenvorstellung gibt es dafür verdient viel Trampelbeifall – trotz Pickel im Gesicht.

Unbedingt anschauen!

Karola Schepp, 22.01.2015, Gießener Allgemeine Zeitung