Die Gruppe ist der Star - Gießener Allgemeine Zeitung

03.02.2015

Jugendclub Tanz widmet sich im taT Goethes "Faust"


Dieses Mal hat sich der Jugendclub Tanz des Stadttheaters Gießen an einen ernsten Stoff gewagt. Waren es bisher Märchen und Sagen, die farbenfroh umgesetzt wurden, so ist die zwölfte Produktion Goethes "Faust" gewidmet, genauer gesagt: "Der Tragödie erster Teil". Am Freitagabend ging die begeistert aufgenommene Premiere über die taT-Studiobühne. Nach wie vor ist Tanzpädagogin Terry Pedersen-Pfeiffer der treibende Motor hinter allem, auch wenn die knapp 20-köpfige Gruppe aus Tänzerinnen und Tänzern an Konzept, Choreografie und Gestaltung der Kostüme wesentlich beteiligt ist.

Wer bisherige Produktionen des Jugendclub Tanz sah, erkennt die Protagonisten ebenso wie Perdersen-Pfeiffers Handschrift im Erzählstil und in der Musikauswahl. Diese reicht von Klassik bis Rock und Pop, streift die Folklore und wagt einen Ausflug ins Techno-Land. Mit dabei sind ebenso Ohrwürmer wie wenig bekannte Songs, die oft mit ihren Liedtexten zu den Szenen passen.

So hat etwa der charismatische Mephisto seinen ersten Auftritt zu "Symathy for the devil" von den Rolling Stones. Vorkenntnis des Faust-Stoffes wird vorausgesetzt, es gibt keine Erklärungen zu den Szenen im Programmfaltblatt. Auch keine Besetzungsliste, das Ganze soll offenbar als Gruppenleistung wahrgenommen werden. Eine einzige abgedruckte Passage benennt die Grundidee der tänzerischen Interpretation: "Ich muss dich nun vor allem in lustige Gesellschaft bringen." Das versucht Mephisto denn auch mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften.

Er hat einiges zu tun, ehe er den gebeugten und altersdepressiven Faust dazu bringt, ein kraftvolles Rad nach dem anderen zu schlagen. Dieses Grundmotiv, das "in die lustige Gesellschaft bringen", nutzen der Jugendclub und Pedersen-Pfeiffer für Gruppenszenen, die mal in der Schule, mal in der Walpurgisnacht oder mitten in der besseren Gesellschaft spielen. Die Kennenlernszene des Duos Faust/Mephisto mit Gretchen und Marthe ist mit Pas de deux apart aufgebaut. Gretchens Erkenntnis ihrer ungewollten Schwangerschaft und die Verachtung, die sie dafür durch die Gesellschaft erfährt, werden tänzerisch und gestisch verdeutlicht.

Das Ende des 75-minütigen Stücks ist zugleich der Höhepunkt. Zum ergreifenden "Halleluja" von Leonard Cohen, das in der Version von Jeff Buckley zu hören ist, findet die einsame Geburtsszene mit nachfolgender Verzweiflungstat statt. Umrahmt ist Grettchen dabei von einsamen Gestalten in weißen Hemden, die allesamt einer Irrenhausszenerie entlehnt sind. So intensiv kann kein Deutschunterricht in der Schule sein. Prädikat: Empfehlenswert! Die Tänzer sind an weiteren Terminen zu erleben: am 8. Februar um 15 und 20 Uhr sowie am 1. März um 20 Uhr; jeweils im taT.

Gießener Allgemeine Zeitung, 02.02. 2015