Ein Fest für Augen und Ohren - Oberhessische Presse

27.02.2015

Stürmischen Beifall gab es nach der Premiere des Musicals „Der Kuss der Spinnenfrau“ am Stadttheater Gießen.

Gießen. Es ist ein Fest für Augen und Ohren, das derzeit im Stadttheater zu erleben ist. Denn für ihre Inszenierung des Musicals „Der Kuss der Spinnenfrau“ von John Kander und Fred Ebb nach dem Roman von Manuel Puig zieht Intendantin Cathérine Miville praktisch alle Register.

Miville hat einen betörend schönen Abend auf die Bühne gebracht, dessen kapitale Spieldauer von rund drei Stunden wie in einem Rausch vergeht. Der zentrale Clou daran ist, dass es der Intendantin gelingt, opulente Revueelemente zu zeigen und trotzdem konsequent eine Geschichte zu erzählen, ohne dabei in schlichte Unterhaltung abzugleiten.

Das gibt der Inszenierung Hand und Fuß und macht sie zu einem Erlebnis. Bezaubernd ist schon die Bühnenoptik, für die Lukas Noll und José-Manuel Vázquez verantwortlich zeichnen. Noll hat ein beeindruckendes Bühnenbild entworfen, das die Gefängnissituation des Stücks mit einer Reihe turmhoher Gitter realisiert. Die Zelle der beiden Hauptfiguren hat er als kleine Nische gestaltet, die je nach Handlungssituation in den Vordergrund gerückt wird. Aufs Ganze betrachtet spielt Noll immer wieder genial mit der Tiefe des Raumes.

Pagani spielt hinreißend

Um mal einen ganz naiven Ausdruck zu gebrauchen: Einfach schön sind die Kostüme von Vázquez, der gerade in den Revueszenen auf Opulenz und Farbenfreude setzt. Beides zusammengenommen lässt sich allein mit Blick auf die Optik von einem Fest für die Augen sprechen, das durch schauspielerische, gesangliche, instrumentalmusikalische und tänzerische Leistungen des Ensembles potenziert wird. Tatsächlich sind an dieser gewaltigen Produktion Akteure aller Sparten des Hauses beteiligt, was sich bezahlt macht.

Zunächst ein Blick auf die Hauptfiguren. An erster Stelle zu nennen ist Andrea M. Pagani, der einen hinreißend naiven und liebenden Molina spielt. Im Gefängnis verliebt er sich in seinen Zellengenossen Valentin, von Thomas Christ zunächst als bärbeißiger Macho dargestellt. Beide spielen nicht nur gut; sie sind auch glänzend bei Stimme, so dass es am Sonntag immer wieder Szenenapplaus gab.

Den bekam auch die bestens aufgelegte Sophie Berner als Spinnenfrau und Aurora, die durch Molinas Tagträume wirbelt und die Inszenierung mit ihrer stimmlichen Wucht fast an sich reißt. Kalt, hartherzig, bisweilen sadistisch – eine Klasse für sich ist Petra Soltau als Gefängnisdirektorin.

Mivilles Inszenierung wartet mit viel weiterem Personal auf, darunter Chor und Akteure der Tanzcompagnie, die sich allesamt bei der Premiere glänzend schlugen. Genauso wie das Philharmonische Orchester, das unter der Leitung von Andreas Kowalewitz höchst schwungvoll im Graben agierte. Das Fazit: Die Intendantin und die Ihren haben eine opulente Inszenierung auf die Beine gestellt.

Stephan Scholz, 11.12.2015, Oberhessische Presse