Ein Fest für Augen und Ohren - Wetzlarer Neue Zeitung

03.02.2015


Premiere von Gaetano Donizettis Oper "Linda di Chamounix"

Es ist ein Fest für Augen und Ohren, das derzeit im Stadttheater Gießen zu erleben ist. Denn Hans Walter Richters Inszenierung von Gaetano Donizettis Oper "Linda di Chamounix" unter der musikalischen Leitung von Florian Ziemen besticht mit einem im ursprünglichsten Wortsinn schönen Bühnenbild, mitreißender Musik und feinen Stimmen. Die Premiere am Samstagabend war ein echtes Erlebnis.
Es geht um Liebe, es geht um Enttäuschung und um Wahnsinn. Donizettis Oper in drei Akten mit einem Libretto von Gaetano Rossi macht die ganz großen Gefühle zum Thema.

Und Regisseur Richter lässt ihnen freien Lauf, um dabei allerdings auf psychologisierendes Abstrahieren praktisch zu verzichten. Im Gegenteil: Bernhard Niechotz hat ein weitgehend naturalistisches Bühnenbild gestaltet, das ein beachtliches Maß an Intimität vermittelt.
Mit einem maßvoll historisierenden Ansatz gelingt es Niechotz, dem Besucher die Eintrittsschwelle zur Welt von Donizettis Oper, die im italienischen Original mit deutschen Übertiteln gezeigt wird, bereits durch die Requisite zu ebnen.
Phasenweise fühlt es sich an, als sei man als Zuschauer Gast in einer liebevoll eingerichteten Stube, die in ihrer Rustikalität reichlich Heimeligkeit vermittelt. Das macht richtig Laune, auch weil Kati Moritz die Stimmungen der Handlung gekonnt mit Lichteffekten illustriert, so dass gerade im ersten Akt immer wieder der Eindruck vom Einbruch bedrohlicher Emotion in die heile Welt entsteht.
Hut ab vor diesem Bühnenkonzept, dessen Gegenständlichkeit phasenweise rudimentärer wird und in das sich Niechotz' Kostüme perfekt einschmiegen. Auch hier setzt er auf maßvolle Historisierung, die die Luft des 19. Jahrhunderts atmet. Kurz gesagt, rein auf Ebene der Optik erzählt Richter eine ausdrücklich in dieser Welt verortete Liebesgeschichte, die ihren schmerzvollen Reiz gerade durch ihren Realismus entfaltet.

Und natürlich durch die beachtlichen Fähigkeiten von Solisten und Chören, die sich bei der Premiere am Samstag bestens disponiert zeigten. Um die Hauptfigur herauszuheben: Naroa Intxausti berührt als Linda zutiefst. Längst ist die Sängerin einer der Stars am Stadttheater, um das in dieser Oper mit ihrer feinen und glasklaren Stimme erneut unter Beweis zu stellen.
Doch auch die anderen Solisten schlugen sich ebenso glänzend wie die Chöre, die unter der bewährten Leitung von Jan Hoffmann und Martin Gärtner wie gewohnt mit stimmlicher Macht Schauer um Schauer über Zuschauerrücken schickten. Natürlich im Verbund mit den Musikern des Philharmonischen Orchesters unter Ziemens Leitung, die Donizettis lebhafte Klänge ohne Fehl und Tadel aus dem Graben sprudeln ließen.
Das Fazit: Es ist ein Fest für Augen und Ohren, das derzeit im Großen Haus zu erleben ist. Opernfreunde sollten sich diese opulente Inszenierung in keinem Fall entgehen lassen.


Weitere Aufführungen sind am 5. und 21. Februar, 13. und 29. März und 3. Mai jeweils um 19.30 Uhr sowie am 12. April um 15 Uhr.

Stephan Scholz, 03.02.2015, Wetzlarer Neue Zeitung