„I wanna be loved by you” feierte am Donnerstag im TiL Premiere - Gießener Anzeiger

03.07.2013

„Happy Birthday, Mr. President“ - diese Zeilen, dahin geschmachtet von Marilyn Monroe am 19. Mai 1962 zum anstehenden 45. Geburtstag von Präsident John F. Kennedy, sind längst Legende. Titus Hoffmann nimmt sie zum äußeren Anlass, um in seinem Musiktheaterstück „I wanna be loved by you“ den Spuren der wohl bekanntesten Blondine der Welt zu folgen. Am Donnerstag hatte das Stück in einer Inszenierung von Hoffmann im Theater im Löbershof (TiL) Premiere.

Ganz augenscheinlich war das Publikum sehr angetan, denn als der letzte Vorhang fiel, nahm der Applaus kein Ende. Und tatsächlich war der Abend teils imposant, und zwar in allererster Linie dank der stimmlichen Leistung von Sophie Berner als Marilyn Monroe.

Doch der Reihe nach und angefangen bei der Geschichte. In einem kleinen Raum konfrontiert Hoffmann die Schöne mit ihrem Psychoanalytiker Dr. Ralph Greenson, gespielt von Andrea M. Pagani. Unmittelbar vor dem Präsidentengeburtstag reflektieren die beiden die Probleme der Schauspielerin, die unter einer manisch-depressiven Störung leidet. Bühnenbildnerisch setzt Bernhard Niechotz dieses Geschehen in strahlendem Weiß in Szene. Fast die gesamte Ausstattung - etwa Berge von Koffern, ein Flügel, die obligatorische Analytikercouch - leuchtet geradezu. Das lenkt die volle Aufmerksamkeit auf die beiden Bühnenakteure, deren schauspielerische Leistung dem Genre Musical, um das es hier geht, angemessen war. Tiefgründigkeit ist hier nicht zu finden, und das führt angesichts der Thematik „unter seelischen Problemen leidender Star“ dann doch gelegentlich zu Unwohlsein. Auf der Habenseite ist allerdings zunächst zu verrechnen, dass Berner eine rührend kindliche Monroe gibt. Sie schlittert mehr oder weniger durchs Leben, nimmt dabei jedoch in ihrer Infantilität für sich ein und weiß sich, wenn nötig, durchzusetzen. Kurzum, was die lichten Anteile der Monroe angeht, ist es das reine Vergnügen, Berner zuzusehen. Das gilt auch für Pagani, der einen immer wieder vor der Verzweiflung stehenden Psychoanalytiker spielt und häufig der Gefahr ausgesetzt ist, die Grenze zwischen Arzt und Liebhaber zu überschreiten. Auf einen Nenner gebracht: In den Phasen weitgehend konfliktfreier zwischenmenschlicher Interaktion macht es Spaß, dem teils witzigen Bühnengeschehen zu folgen. Doch wehe die wirklich dunklen Seiten der Monroe kommen auf. In diesen Momenten schrammt die Schauspielkunst bestenfalls an einer klischeehaften Oberfläche entlang. Weder Berner noch Pagani gelingt es, die psychische Problematik oder das schwierige Verhältnis zwischen beiden Figuren - immerhin wird der Analytiker zum Vaterersatz und permanent schwingen sexuelle Konnotationen mit - auch nur im Ansatz authentisch auf die Bühne zu bringen. Das ist sehr schade, denn die Gelegenheit, tatsächlich hinter die Fassade des Mythos Marilyn Monroe zu blicken, wird verpasst. Aber hier gilt es, fair gegenüber den Schauspielern zu bleiben: Diese Tiefgründigkeit gibt das Genre nicht her. Deshalb sei eine ganz andere und rhetorisch gemeinte Frage erlaubt: Taugt ein solcher Stoff für die Glitzerwelt Musical?

Die Habenseite der Inszenierung: im Rahmen der musikalischen Arrangements von Carsten Gerlitz wirklich große Gesangskunst von Sophie Berner. Ihre facettenreichen Stimme berührt zutiefst und es war der reine Genuss, ihr beim Vortrag von Songs wie „I wanna be loved by you“ zuzuhören. Ohne Fehl und Tadel wurde sie dabei ein ums andere Mal von Pagani, der selbst grundsolide einige Gesangsnummern beisteuerte, am Klavier begleitet. Das Fazit: Musikalisch ist das Stück bisweilen nahe an der Grenze zu „brillant“, schauspielerisch und dramaturgisch bewegt sich das Ganze eher im Rahmen von „Na ja“. Deshalb sei die Inszenierung eben nur Freunden der Gesangskunst wärmstens ans Herz gelegt. Weitere Aufführungen finden statt am 22. und 30, Dezember und am 13. und 24. Januar jeweils um 20 Uhr im TiL.

Stephan Scholz, 15.12.2012, Gießener Anzeiger