Tanz auf höchstem Niveau - Wetzlarer Neue Zeitung

17.02.2015

Es ist nicht zu hoch gegriffen, von einem tänzerischen Feuerwerk auf höchstem Niveau zu sprechen. Anders gesagt: Am Samstag hat das Tanz-Triptychon "Spieluhr" am Stadttheater seine Uraufführung erlebt.

Es vereint die Stücke "Legends" von Pascal Touzeau, "Small Memories" von Tarek Assam und "COG" von James Wilton und wurde vom Premierenpublikum am Ende stürmisch beklatscht.

Kein Wunder eigentlich, denn mit ihren Arbeiten ist den drei Choreografen und den Tänzern der Tanzcompagnie Gießen ein wirklich betörender Abend gelungen, bei dem von der Darstellung über das Gesamtkonzept bis zu Bühnenbild und Kostümen alles stimmt.
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Formal hängen die drei Stücke des Abends, dessen zwei Stunden wie im Flug vergehen, nicht zusammen. Dennoch lässt sich ein impliziter Zusammenhang erkennen, denn mit den Themen "Traum", "Erinnerung" und "Zwischenmenschliche Beziehungen" wenden sich die drei Künstler zentralen Aspekten des Lebens zu.

Den Anfang machen Touzeaus "Legends". Sie sind dem Thema "Traum" verschrieben, das Lukas Noll in einer geradezu betörenden Optik umsetzt. Denn er lässt die Rampe praktisch leer, abgesehen von einigen großen Scheinwerfern, die die Bühne in Zwielicht tauchen.

Die Tänzer sind ganz in Schwarz gekleidet, so dass rein auf Ebene der Bühnenoptik das Surreale menschlicher Träume verbildlicht wird. Vor diesem Hintergrund setzt Touzeau auf eine wuchtige, kraftvolle, dabei aber betont konzentrierte Bewegungssprache, die in ihrer Plastizität schon an expressionistische Ansätze denken lässt.

Bühnenoptik und Bewegungen gehen eine grandiose Symbiose ein, der man mit Fug und Recht bescheinigen darf, dass sie der Gestalt menschlicher Träume als Spiegel der Seele sehr nahe kommen. Hut ab.

Übrigens auch vor Assams Choreografie "Small Memories", die dem Erinnern verschrieben ist. Anders als Touzeau setzt der Ballettdirektor auf Geschwindigkeit und kraftvolle Bewegungen wie spektakuläre Sprünge, um sein Thema ertanzen zu lassen, und dies erneut in einer Kulisse von Noll, der das große Foto eines baufälligen Gießener Gebäudes als Hintergrund nutzt und davor eine Fotobox platziert hat.

Vor ihr ertanzt das Ensemble Szenen von Liebe, Ablehnung oder Aggressivität, die damit enden, dass einer der Akteure in der Box verschwindet und die Interaktion so zur Erinnerung wird. Das Ganze geschieht in Straßenkleidung.

Anders als in Wiltons "COG", für das Noll einfarbige Kostüme entworfen hat.

Abend vereint drei Stücke und wurde stürmisch beklatscht

Das Stück, das ebenfalls auf nackter Rampe mit einem ausgefeilten Lichtkonzept spielt, fragt nach den Folgen der Virtualisierung von zwischenmenschlichen Beziehungen, wobei es den Akteuren wiederum geradezu famos gelingt, Zustände wie radikale Vereinsamung auf die Bühne zu bringen.

Und zwar zu rockiger Musik von Steve Wilson und der Band "Porcupine Tree".

Kurzum, Assam und seine Gäste haben einen betörenden Abend gestaltet, der durch die Vielfalt der tänzerischen Herangehensweisen und die absolute Topform der Tanzcompagnie besticht. Theaterfreunde sollten sich dieses tänzerische Feuerwerk nicht entgehen lassen.

Stephan Scholz,16.02.2015, Wetzlarer Neue Zeitung