Wandlungsfähiger Dominik Breuer brilliert im Krabbel-Krimi „Die Wanze“ - Gießener Anzeiger

10.09.2014

Wir befinden uns in „Dixie’s Bar“. Am Tresen hockt ein Mann im Trenchcoat mit tief in die Stirn gezogenem Hut, schlürft an seinem Cocktail und erzählt zur dezenten Musik eines Barpianisten von seinem neuesten Fall. Das Publikum, das ihm über eine Stunde höchst amüsiert zuhört, hat im Zuschauerraum, aber an kleinen Bartischen, Platz genommen.
Zum Auftakt der Spielzeit in der TiL-Studiobühne brilliert der Schauspieler Dominik Breuer in dem Ein-Personen-Stück „Die Wanze“ des Engländers Paul Shipton. In der rasanten, urkomischen und sehr originellen Hommage an den amerikanischen Krimiautor Raymond Chandler und seinen berühmten Privatdetektiv Philip Marlowe schlüpft Breuer im Verlauf des Abends in ein gutes Dutzend Figuren - und erntet am Premierenabend donnernden Applaus. Im Mittelpunkt steht Wanze Muldoon, der sich von seinem Vorbild Marlowe eine ganze Menge abgeguckt hat. Auch er ist ein ziemlich cooler Schnüffler, sprich Privatdetektiv. Ach so, Muldoon ist kein Mensch und eigentlich auch keine Wanze, sondern ein Käfer - aber das ist eine lange Geschichte. Shiptons Krimiparodie „Die Wanze“ ist nämlich ein Krabbel-Krimi im Insektenmilieu. „Dixie’s Bar“ liegt unter Rhabarberblättern, Dixie, der Wirt, ist eine schleimige Nacktschnecke, und außer Muldoon sitzen an diesem Abend nur noch ein paar abgehalfterte Halfter herum.
Ein Ohrenkneifer ist verschwunden. Was sich zunächst wie ein leichter Fall anhört, entwickelt sich zu einem gefährlichen Abenteuer. Dem Garten und seinen Insekten droht Gefahr, denn Muldoon findet im Lauf seiner Ermittlungen immer deutlichere Hinweise, dass die beiden Großmächte der Ameisen und Wespen gemeinsame Sache machen wollen.
„Die Wanze“ ist ein Bravourstück für jeden Schauspieler, der darin seine Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen kann. In der Inszenierung von Wolfgang Hofmann, der den Details liebevoll Aufmerksamkeit schenkt, lässt sich Dominik Breuer diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen und entfesselt zur Erheiterung der Zuschauer eine Spiellust, die in jeder dieser 70 Minuten vor Augen führt, dass man zu gutem Theater keinen großen szenischen Aufwand braucht.
Mit rascher Veränderung in Gestik, Mimik und Sprache wechselt er von der einen Figur zur anderen: Eben noch war er der behäbige Wirt Dixie mit rheinischem Tonfall, und schon radebrecht er wie ein Junkie als zuckerabhängige Stubenfliege Jake oder spricht mit der knarzigen Stimme des mächtigen Ameisen-Geheimdienstchefs. Und wenn er das Milieu wechselt, steuert die Regie die passende Filmmusik aus Hollywoods Monumentalwerken bei. Ein kurzweiliger Theaterabend, an dem alles passt und viel gelacht wird. Bravo!


13.09.2010 Thomas Schmitz-Albohn, Gießener Anzeiger