Zuckersüchtige Fliegen und kiffende Wespen - Gießener Allgemeine Zeitung

10.09.2014

Dominik Breuer begeistert im TiL als Käfer Muldoon in der Kriminalparodie »Die Wanze« – Packendes Erzähltheater

Schafe, die einen Mord aufklären, oder Katzen, die mysteriösen Vorgängen in ihrer Nachbarschaft auf den Grund gehen, das kennt man schon aus diversen Krimis. Aber kann auch ein Käfer, der sich als Ermittler verdingt, überzeugen? Jawohl, das kann er. Voraussetzung ist allerdings, dass Autor Paul Shipton das Buch schreibt, Regisseur Wolfgang Hofmann die Vorlage inszeniert und Schauspieler Dominik Breuer das Ganze als Ein-Mann-Erzähltheater umsetzt. Breuer spielt »Die Wanze«, eine Krimiparodie im Insektenmilieu, in der aktuellen Spielzeit auf der TiL-Studiobühne in einer Bühnenfassung von Karin Eppler, Daniela Merz und Gerd Ritter.
Die Besucher der Premierenvorstellung am Freitag erlebten einen bestens präparierten Breuer, der sich blitzschnell mit Gesten, Stimme und wenigen Requisiten in all jene Krabbler und Fluggetiere verwandelte, die man auf einer Wiese finden kann. Trenchcoat, Hut und Sonnenbrille genügten ihm, mal als Käfer-Detektiv, dann wieder als zuckersüchtige Fliege Jake oder auch als glibberige Nacktschnecke Dixie zu überzeugen. Die Zuschauer, die teils an Bistrotischen platziert unmittelbar am Geschehen in Dixies Bar und der umliegenden Wiese teilnahmen, erlebten einen kurzweiligen Abend bester Unterhaltung, der mit allem aufwartete, was ein spannender Krimi braucht: Feindschaft und Liebe, Verschwörungstheorien und Verfolgungsjagden und natürlich auch einem spektakulären Knaller am Ende.
In Paul Shiptons Kinderkrimis – der britisch-amerikanische Schriftsteller hat die kleine Reihe 1995 für Kinder ab zehn Jahren geschrieben, sie kann aber auch noch Erwachsene begeistern – schlägt sich ein Käfer mit dem irreführenden Namen Wanze Muldoon im Stil eines Philip Marlowe oder Dick Tracy als Privatdetektiv durchs Leben. Seine Tatorte findet er jedoch nicht wie seine filmischen Vorbilder in der Großstadt, sondern im Mikrokosmos einer Wiese, dem Reich der Insekten. Dort verschwindet eines Tages ein Ohrenkneifer. Und es ist außerdem etwas faul im Staate der Ameisen, wo sich unter den gleichförmigen Gesellen ein »Club der unverwechselbaren Individualisten« gegründet hat. Die Ameisenkönigin, als Herrscherin der größten Streitmacht im Garten, beauftragt daher Schnüffler Muldoon, der Sache auf den Grund zu gehen. Er ermittelt und gerät schon bald in höchste Gefahr, in der ein wild gewordener Wespenschwarm, ein großer Karpfen und auch die schöne Ameise Clarissa mit ihrer glockenklaren Sopranstimme eine Rolle spielen. Wie genau das alles zusammenhängt und welch spektakuläre Wende der Fall nimmt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Denn was nutzt der beste Krimi, wenn man den Schluss schon kennt?!
Stadttheater-Schauspieler Dominik Breuer, der zu Beginn des gut einstündigen Stückes die Zuschauer am Tresen der rauchgeschwängerten Bar von Nacktschnecke Dixie mit dem Rücken zum Publikum sitzend empfängt, zelebriert den blitzschnellen Rollenwechsel in Perfektion. Ein besonderer Blick, eine spezielle Tonlage und eine typische Körperhaltung – schon weiß man, welches Wesen aus dem Reich der Kerbtiere in diesem Moment agiert. Da gibt es neben dem coolen Käfer Wanze Muldoon noch die Fliege Jake, die hektisch stottert, aber dennoch zum richtigen Augenblick am rechten Ort ist. Oder die bekiffte Wespenkönigin, die als psychedelischer Hippie-Verschnitt die aggressiven Krieger befehligt. Oder die Regenwürmer, die sich nach einem Spatenhieb als gespaltene Persönlichkeiten durchs Erdreich graben. Und natürlich gehört auch Killer-Spinne Thekla in die Szenerie, der Breuer mit seiner kampfchoreografie-erprobten Körpersprache beklemmende Authentizität verleiht. Man spürt, mit wie viel Spaß er die Vorlage umsetzt und staunt, wie genau er die einzelnen Charaktere herausarbeitet. Ein Augenzucken hier, ein Flügelschlag da – und die Lacher der Zuschauer sind ihm gewiss.
Breuer hat »Die Wanze« bereits während seines vorherigen Schauspielengagements bis 2009 in Bremenhaven mit großem Erfolg gespielt und auch da mit dem Sprach- und Theaterwissenschaftler Wolfgang Hofmann als Regisseur zusammengearbeitet. Was lag also näher, als die Inszenierung auch dem Gießener Publikum zugänglich zu machen?!

Karola Schepp, Gießener Allgemeine Zeitung