Blick aufs Schlachtfeld Schulklasse - Wetzlarer Neue Zeitung

24.02.2015

Wow! Das war ein mitreißender Theaterabend von 90 kurzweiligen Minuten. Das halbe Dutzend Schauspieler kniete sich ungehemmt in einen Schlagabtausch zwischen frustrierten Eltern und überforderter Lehrerin.

Intendantin Cathérine Miville führte das spielfreudige Ensemble mit Bedacht, heizte das Tempo an, setzte auch Fermaten, so dass die Problematik des "Feindbildes Lehrer" in dem Stück "Frau Müller muss weg" nicht in schenkelklopfendem Klamauk ausartete. Gelächter, Szenenapplaus und intensiver Beifall waren am Sonntag die Antwort des ausverkauften Hauses.

Ungeachtet der vehementen Umsetzung profitiert das Stück auch vom sicheren Gespür von Autor Lutz Hübner (Mitarbeit Sarah Nemitz). Wie in einem Musikstück steigert sich die Eingangsszene zu einem atemberaubenden Furioso Infernale, reduziert sich die Geschwindigkeit zu einem Andante, wenn zwei Darsteller ins Gespräch kommen. Dann nimmt das Sextett wieder Tempo auf, bis zum Ende der schrille Klang nachlässt.

Harmonisch ist dieser Schluss jedoch nicht.

Zunächst zweifeln Mütter und Väter an den pädagogischen Fähigkeiten der Klassenlehrerin der Klasse 4b und legen ihr knallhart und verletzend nahe, die Klasse abzugeben. Diese gibt nach und auf. Doch nach einer heimlichen Einsicht in das Notenbuch geben die streitsüchtigen Eltern nach und attestieren Frau Müller heuchlerisch Sympathie und Vertrauen. Es gibt keine Sieger beim Elternabend.

Für das auf 40 deutschen Bühnen seit 2010 gespielte Stück hat Lukas Noll ein Klassenzimmer mit alten Schulmöbeln entwickelt, das über den Orchestergraben nahe an die Zuschauer reicht.

Rechts hängen Fahnen mit Slogans wie "Wir ärgern uns nicht und lachen niemanden aus", nach hinten wird die Bühne durch eine übergroße Tafel begrenzt.

Gelächter, Szenenapplaus und intensiver Beifall im vollen Haus

Alle Darsteller spielen auf einem höchst eindrucksvollen Niveau und übertrumpfen sich nicht in Gestik, Mimik und Sprache.
Thomas Wild (1999 bis 2005 Ensemblemitglied am Stadttheater), Marie-Luise Gutteck , Beatrice Boca, Kyra Lippler und Roman Kurtz sorgen dafür, dass man sich als Beobachter ertappt fühlt und durch Lachen befreit.

Carolin Weber als gebeutelte Lehrerin Sabine Müller macht den Spagat zwischen gekränktem Stolz und Selbstmitleid nachvollziehbar. Verdienter Beifall bei ihrem Abgang.

 

Peter Merck, 24.02.2015, Wetzlarer Neue Zeitung