Dem Tod ein Schnippchen schlagen - Gießener Allgemeine Zeitung

22.12.2015

Die Kammeroper »Death Knocks« von Christian Jost nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Woody Allen feierte nun in der Inszenierung von Stephanie Kuhlmann gemeinsam mit der Kurzoper »Savitri« auf der taT-Studiobühne Premiere. Wir waren dabei.

Es ist ein etwas ungeschickter Tod. Mit den Worten »Ich brach mir fast den Hals« stürzt er völlig außer Atem durch Nat Ackermanns Fenster in dessen Wohnung. Was folgt, ist der absurde Dialog eines Delinquenten mit dem unterirdischen Vollzugsbeamten. Der entpuppt sich dabei als etwas überforderte Dame, die offenbar wenig Erfahrung hat in ihrem Gewerbe. Sie zeigt Ackermann zwar die Sense, um ihm klarzumachen, dass jetzt Schluss ist mit dem irdischen Lustigsein. Doch der Firmenchef fackelt nicht lange und spielt mit dem attraktiven Tod eine Partie Karten – um eine Fristverlängerung auf Erden.

Die Kammeroper »Death Knocks« von Christian Jost nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Woody Allen feierte am Sonntagabend in der Inszenierung von Stephanie Kuhlmann gemeinsam mit der Kurzoper »Savitri« auf der taT-Studiobühne Premiere. Auch bei dem Einakter von Gustav Holst in der Regie von Hans Walter Richter erscheint der Tod. Diesmal holt er sich einen Holzfäller, doch dessen Ehefrau Savitri gewinnt den geliebten Gatten mit List und Tücke aus dem Jenseits zurück.

»Savitri«, eine Episode aus dem weithin unbekannten monumentalen indischen Heldenepos »Mahabharata« aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, diente dem Spätromantiker Holst als Inspiration, um dem großen Erbe von Richard Wagner zu entfliehen. Herauskommt, wie das bisweilen ungewollt geschieht, wenn das Vorbild eben doch allgegenwärtig ist, eine hier und da an Altmeister Wagner erinnernde Partitur für doppeltes Streichquartett, Bass und Bläser, darunter gleich zwei Querflöten und ein Englischhorn. Die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters unter der Leitung des jungen Kapellmeisters Martin Spahr bewegen sich hinter der Bühne munter durch das insgesamt karg instrumentierte Werk mit seinen fortwährenden Wechseln von Dreiviertel- zu Fünfviertel- zu Siebenvierteltakt – Holst hatte seinen Spaß an derlei Girlanden. Gleichwohl entwickelt das Stück des Engländers seinen größten Reiz, wenn es sich nach Wagner anhört.

Tenor Clemens Kerschbaumer debütiert in Gießen in der kleinen Rolle des Holzfällers, Mezzosopranistin Julia Stein gibt eine re-
solute und stimmlich variable Gattin, während Tomi Wendt dem Tod bassbaritonale Kontur verleiht. Ein Sopran-Quartett sorgt für sphärische Klänge aus dem Off. Das Bühnenbild von Lukas Noll kann sich mit seiner gespiegelten Welt von Diesseits und Jenseits sehen lassen. Auch seine Kostüme verfügen über jene Detailliebe, für die Noll am Stadttheater als Chefausstatter hinlänglich bekannt ist.

Das Zwei-Personen-Stück »Death Knocks« (um den nun »arbeitslosen« Kerschbaumer ergänzt, der einen überflüssigen Nachbarn spielt) schließt sich mithilfe von kleinsten Umbauten vor Publikum nahtlos an. Wendt übernimmt die dankbare Rolle des Nat Ackermann, auch wenn er die Partie nicht fahrig-depressiv anlegt, wie das bei Allen zu vermuten wäre. Julia Stein ist ein quirliger weiblicher Tod – bei Allen war die Figur männlich besetzt. Stein und Wendt sind gut aufeinander abgestimmt, mimisch wie stimmlich, und ergänzen sich perfekt.

Der Allensche Wortwitz prägt das quirlige Werk, das um die Weihnachtszeit spielt. Auf die dünne Musik von Jost aus dem Jahr 2001, die das Spahr-Ensemble hinter der Bühne in wohlfeile Töne verwandelt, könnte dank der Schlagkraft des Textes an manchen Stellen verzichtet werden.

 

Manfred Merz, 22.12.2015, Gießener Allgemeine Zeitung