Kinder folgen dem Geschehen in „Moritz in der Litfaßsäule“ mit großen Augen - Gießener Anzeiger

20.11.2015

Der Straßenfeger steht mit seinem Besen vor dem Bühnenvorhang des Stadttheaters und begrüßt die Kinder zum traditionellen Familienstück in der Vorweihnachtszeit: „Kennt Ihr Litfaßsäulen?“ „Ja“, brüllen die Kinder. „Habt Ihr schon mal welche gesehen?“ Die Antwort kommt zögerlicher. Nicht alle Kinder sind sicher, schon mal welche gesehen zu haben. In der Tat: Wo gibt es in Gießen noch Litfaßsäulen? Ein wunderschönes Exemplar davon ist nun aber auf der Bühne zu bewundern.

Ein zauberhaftes Bühnenbild breitet sich vor den großen und kleinen Zuschauern aus. Nicht nur die Litfaßsäule ist zu sehen, sondern auch Fachwerkhäuser, ein Brunnen, im Hintergrund ein Zirkuszelt. Und über allem prangt ein riesiger Mond. Wie immer hat Bühnenbildner Lukas Noll ganze Arbeit geleistet: Die Kinder schauen mit großen Augen auf die Wunderwelt vor ihnen.

Da taucht im Hintergrund auch schon Moritz auf, von dem alle sagen, dass er so langsam ist. Er zieht sich langsam an, isst langsam, läuft langsam und soll sogar langsam pinkeln, verrät sein Freund, der Straßenfeger, mit einem Augenzwinkern. Vor allem ist er aber auch langsam beim Rechnen und Schreiben. Das führt zu Ärger mit der Schuldirektorin und seinen Eltern, auch seine Schwester Sina nennt ihn „Trödelhannes“. Schließlich haut Moritz von zu Hause ab und versteckt sich in der Litfaßsäule. Dort trifft er auf die sprechende Katze Kicki, die singen und tanzen kann und am liebsten Bier trinkt. In der Nacht verlässt er sein Versteck und freundet sich mit dem Zirkusmädchen Bella an. Doch Wachtmeister Zampe und sein Suchhund sind ihm schon auf der Spur…

 

Spannungsreiche und lustige Momente für die Kinder folgen, und nicht nur für diese, sondern ebenso für die erwachsenen Begleitpersonen, ob es nun Eltern, Erzieherinnen oder der Lehrer sind. Das Familienstück von Christa Kozik und Rolf Losansky erinnert daran, dass Zuschauer jeden Alters sich etwas Zeit im stressigen Alltag nehmen sollten.

Regisseur Andreas Miha, der in der vergangenen Spielzeit im taT schon erfolgreich das Jugendstück „Fratzenfisch“ inszenierte, plädiert mit seinen poetischen Einfällen dafür, den Blick für Magie und Wunder nicht zu verlieren. Die bunten Kostüme hat Bernhard Niechotz entworfen. Die Musik stammt von Martin Spahr, und die Tanzschritte übte Choreograf Antony Taylor mit den Schauspielern ein.

Vor allem aber erwecken die Schauspieler den untrüglichen Eindruck, dass sie auch diesmal mit größtem Vergnügen beim Familienstück dabei sind. Da wird ja schließlich auch einiges an Gesang, Tanz und Akrobatik gefordert. Jonglage muss man können, ebenso auf einem Brunnenrand balancieren. Von schnellem Kostümwechsel und der darstellenden Kunst erst gar nicht zu sprechen. Ein dickes Lob für das Gießener Schauspielensemble, das bei den zahlreichen Aufführungen vor Schulen und Kindergärten in zwei Schichten auftritt.

 

Ursula Hahn-Grimm, 20.11.2015, Gießener Anzeiger