Mit starkem Frauentrio zum Erfolg - Gießener Anzeiger

23.04.2016

„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, sagt mein sprechendes Pferd“. Diese weise Erkenntnis hat gegen Ende der irrwitzigen Farce „Demut vor deinen Taten Baby“ das Cowgirl Mia. Die junge Frau hat zuvor mit zwei Komplizinnen das halbe Land durch fingierte Terroranschläge unsicher gemacht. Nein, die Geschichte geht nicht gut aus, doch das ist nach all dem Wahnsinn auch nicht zu erwarten.

Ob geplant oder nicht, gerade an Eleven Nine war im taT-Studio die Premiere des Schauspiels „Demut vor deinen Taten Baby“, geschrieben von der jungen deutschen Autorin Laura Naumann, in Szene gesetzt von Gastregisseur Wolfram J. Starczewski und grandios gespielt von Mirjam Sommer als Cowgirl Mia, Anne-Elise Minetti als betrogene Bettie und Beatrice Boca als Lore. Ein starkes Frauentrio! Wenn dann auch noch Lukas Noll für Bühne und Kostüme zuständig ist, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Entsprechend begeistert fiel der Beifall der Zuschauer aus, die sich vorher allerdings schon auf ihren Schaukeln in einen leichten Zustand der Trance versetzt hatten.Schaukeln als Zuschauersitze, und drei Darstellerinnen, die in drei verschiedenen Ecken des Raumes auftreten, dort jeweils zum Rollenwechsel eine eigene Umkleidekabine haben und quer durchs Publikum marschieren oder tänzeln: Das ist die besondere Note der Gießener Version eines Stückes, das bereits in vielen Städten, unter anderem am Burgtheater Wien, gezeigt wurde.

Ein herrenloser Koffer in der Damentoilette eines deutschen Flughafens löst Terroralarm aus. Die Toilette wird großräumig abgeriegelt, der Flughafen evakuiert. Zurück bleiben nur Bettie, Mia und Lore, die hilflos in ihren Klokabinen festsitzen. Eben einander noch völlig fremd, erwarten sie gemeinsam die Katastrophe, doch der große Knall bleibt aus.Die drei Freundinnen finden sich vor dem Flughafengebäude wieder, euphorisiert, wie neugeboren. Bettie erzählt: „Es riecht nach Frühling und Geburt, die Vögel singen auch und irgendein goldener Glitzer liegt auf uns allen drauf“. Die Mädels vergessen Depressionen und Einsamkeit, genießen das neue Lebensgefühl und wollen auch andere Menschen an ihrer Euphorie teilhaben lassen.

Ihre Idee, ebenso irrwitzig wie naiv: Auslöser ihrer Glücksgefühle war ein Terroranschlag, also müssen sie nun selbst einen Terroranschlag nachstellen. Das Stück gewinnt an Dynamik, die Aktionen in Discos und in einem Supermarkt verselbstständigen sich. Doch die Polizei schlägt nicht zu, das Trio wird vielmehr engagiert, weitere fingierte Anschläge zu begehen. Denn die Geburtenrate steigt und die Krankmeldungen nehmen ab: alles in allem ist ein Wachsen des Bruttoinlandsprodukts zu messen.Sprachakrobatik und absurde Zitate, hinter denen viel realistische Beobachtungsgabe steckt, sind ein herausragendes Merkmal dieser rasanten 55 Minuten. Laura Naumann, 1989 in Leipzig geboren, stellt mit ihrem vierten Theatertext die junge Generation einer Spaßgesellschaft vor, die keine politischen Utopien mehr kennt, „Adventure Games“ nennen die drei Frauen ihre Aktionen.Doch aus den sanft schaukelnden Zuschauersitzen im taT lassen sich solche „Adventure Games“ von einem sicheren Standort aus nachverfolgen, mit einer gehörigen Portion Nachdenklichkeit wegen dieses Terrorwahnsinns, und doch mit viel Vergnügen an dem Tatendrang des spektakulären Frauentrios.

 

Ursula Hahn-Grimm, 14.09.2015, Gießener Anzeiger