Theaterabend mit viel Haut und viel Selbstironie - Gießener Anzeiger

21.11.2015

„Abramovic, Cher und ich“ heißt die Vorstellung im taT-Studio, und egal was man sich vorgestellt hat, man wird überrascht. Thomas Bartling tritt auf, weißes Hemd, schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, zieht er sich aus, komplett, und steht erst einmal einfach nur da. Selbstbewusst. Er dreht sich um – auf seinen Gesäßbacken prangen zwei Tattoos, wie die Sängerin Cher sie auch hat, nur das Motiv ist leicht abgeändert. Es ist ein blumenumkränztes Porträt von ihr. Dann zieht sich wieder an. Diese Szene hat Prologfunktion, gibt einen kleinen Ausblick auf das, was kommt, nämlich eine Kostümschlacht sondergleichen. Ein schrilles Outfit übertrifft das nächste, mit Glitzer und Federn und albernen Hüten und zwischendrin trotzdem immer mal wieder viel Haut und vor allem viel Selbstironie. Was sein Gesäß allerdings verspricht, wird nicht direkt gehalten – viel Cher kommt an diesem Abend nicht rum. Wer das Programmheft gelesen hat, erwartet vielleicht eine bierernste biografische Auseinandersetzung mit dem US-Star oder der Performancekünstlerin Abramovic und wird enttäuscht, kriegt aber dafür einen Abend voll eigener Popmusik (Julian Gerhard, Johannes Hentschke, Friederike Schmidt-Colinet), Persiflage und ein Porträt dieses schillernden Mannes, der hier seine Abschlussarbeit des Studiums der Angewandten Theaterwissenschaft hinlegt.

Bartling erweist sich als Entertainer, bei dem das Publikum vor Lachen brüllt. Fünf Jünglinge in engen Boxershorts und weißen Kitteln assistieren ihm. Sie haben eine unglaubliche Komik, wie sie mit ihrem Timing und der kühlen Haltung den Entertainer kontrastieren.

Ein Knüller ist auch der Auftritt Ruby Behrmanns, die effektvoll von den Jünglingen aus einem weißen Paket befreit wird und in aufwendiger Kostümierung mit einem Song in das Geschehen einsteigt. Zu zweit skandieren sie ihre eigene Version des Manifests von Abramovic: „Der Künstler erklärt sich zu einem Idol. Der Künstler verbringt viel Zeit auf den Horizont schauend. Der Künstler liebt, wen er will.“ Und zwischen all der Ironie meinen sie diese lebensfrohe Sicht sehr ernst.

Behrmann und Bartling überschlagen sich von Song zu Song zu Kostüm zu Kostüm und am Ende ist es auch fast nur noch das: eine Aneinanderreihung von pompösen Auftritten und schrägen Tönen. In der Moderation dazwischen erzählt Bartling humorvoll und nah am Publikum von sich, von seiner Essstörung, seiner Homosexualität, dem Bühnenleben.

Es ist keine bierernste, sondern eine lustvolle Auseinandersetzung mit den beiden Künstlerinnen und sich selbst. Sich nicht zu ernst nehmen, ist hier Gebot der Stunde. An dieser Stelle übrigens ein „Chapeau!“ an die Kostümbildnerin Kathi Sendfeld und auch an die Bühnenbildnerin Friederike Schmidt-Colinet, deren weiße Kulisse gleichzeitig Laufsteg, Projektionsfläche und Popkonzertkulisse ist. Der Abend war überraschend, man hat herzlich gelacht.

 

Eva Bode, 21.11.2015, Gießener Anzeiger