Alte Feindschaft rostet nicht, zumindest nicht die von Willi Clark und Al Lewis: Am Donnerstag hatte Neil Simons Stück "Sonny Boys" um das gleichnamige Komikerduo im taT Premiere. Abdul-M. Kunze setzt bei seiner Inszenierung des Broadway-Klassikers in der deutschen Übersetzung von Helge Seidel allerdings nicht so sehr auf Klamauk, wie man vielleicht zunächst erwarten würde. Nein, der Regisseur rückt vielmehr die eher zwischenmenschlichen Töne um das Thema Altern in den Vordergrund seiner Version, für die es am Ende kräftigen Beifall gab. Kein Wunder, denn Kunze und den Seinen ist es gelungen, ein feines Kammerspiel auf die Bühne zu bringen, das nachdenklich aber auch richtig Spaß macht.
Das hat ganz maßgeblich mit Harald Schneider und Harald Pfeiffer in den Hauptrollen zu tun, denen Kunze viel Raum gibt. Der Regisseur wird reich dafür belohnt, denn die gestandenen Schauspielprofis zeigen, was sie können. Und es ist die reine Freude, Schneider dabei zu beobachten, wie er seinen Willi Clark entwirft. Mit sachten Tönen, jeder Menge Witz und fein ausdifferenzierter Performance auf der Ebene von Mimik und Gestik gestaltet Schneider den alternden Komiker, der trotz aller Dickköpfigkeit in der Welt verloren wirkt. Pascal Thomas, der als Neffe Benjamin Silbermann eine gute Figur macht, wird zum kongenialen Partner Willis alias Schneider, der altersbedingte Schwächen wie Vergesslichkeit fein mit einer ordentlichen Portion Starrsinn austariert und so seine Idee des Altkünstlers zu Fleisch und Blut werden lässt.
Hut ab vor dieser Leistung, aber auch vor jener von Pfeiffer, der mit Al Teil zwei des Duos spielt. Eine bärbeißige Figur, der Pfeiffer eine ordentliche Portion Hemdsärmeligkeit mitgibt und sie ebenfalls fein austariert mit menschlichen Schwächen wie Borniertheit als Selbstschutz. Beiden Schauspielern gelingt es geradezu famos, ihre Figuren auf der Bühne zu konturieren und zu entwickeln. Großen Respekt vor dieser Leistung: Theaterfreunde, die auf pure Schauspielkunst ohne Haken und Ösen wie technischen Schnickschnack abfahren, sollten sich das Stück unbedingt ansehen. Auch Petra Soltau als herrische Altenpflegerin und Laila-Fleur Hertstein als unwiderstehliche Sprechstundenhilfe leisten einen großen Beitrag zum Gelingen des Abends.
Damit sich das Ensemble auch wirklich frei entfalten kann, setzt Kunze auf ein einfaches Bühnenbild. Thomas Döll hat schlicht eine sehr gegenständliche Wohnstube als Willis Wohnung und ein ärztliches Sprechzimmer geschaffen. Beides ist genau richtig, denn in dieser Inszenierung, deren Kostüme im Grunde Alltagskleidung sind, spricht nicht die Bühnenoptik, sondern das Ensemble.
Kurzum eine rundum gelungene Inszenierung, die ursprünglich schon deutlich früher auf dem Spielplan stand, allerdings verschoben werden musste.
Stephan Scholz, 01.10.2016, Gießener Anzeiger