Hits präsentieren die Schmachtigallen alle zwei Jahre mit einem neuen A-cappella-Programm. Wie schwer es sein kann, einen Gassenhauer zu schreiben, davon erzählen sie in ihrem neuen Stück: »Boys, Boys, Boys – Die Schmachtigallen landen einen Hit«.
Für das Schreiben der »ultimativen Zeile« darf man kein Zeitlimit setzen. Wer einmal vor einem leeren Notenblatt gesessen hat, kennt das. Auch die Triller-Boys kämpfen mit diesem Problem. Ihnen will im Gegensatz zu ihren Vorbildern, den Gießener Schmachtigallen, partout keine Melodie einfallen, mit der sie an die Erfolge vergangener Zeiten anknüpfen können. Stattdessen schlagen sie sich verkleidet als überdimensionale Kakteen-Rapper auf Tagungen herum, ätzen sich in ihrer Männer-WG gegenseitig wegen des »bisschen Haushalts« an oder drehen ein schräges Bewerbungsvideo für einen Rat-Pack-Wettbewerbsauftritt in den USA. Doch zum Glück kann Sängerin und Moderatorin Joana den vier Sängern helfen – und mit ihrer Unterstützung landen die Boys am Ende doch noch einen Hit.
Davon erzählt der neueste Coup des A-cappella-Quartetts »Die Schmachtigallen«, das schon seit 20 Jahren besteht und am Sonntagabend im Stadttheater vom Publikum wieder einmal mit viel Applaus und anerkennenden Pfiffen bedacht wurde. Dass Jan Hoffmann, Roland Furch, Severin Geissler und Martin Ludwig sich mit Julia Lißel erstmals eine gestandene Sängerin mit auf die Bühne geholt hatten, tat ein Übriges zum durchschlagenden Erfolg der neuesten Produktion in typischer Schmachtigallen-Manier. Für Buch und Regie zeichnete erstmals Kalle Kubik verantwortlich, der als Leiter des Kölner Männergesangvereins Cäcilia weiß, wie man schmissige Songs mit Schmiss in Szene setzt. Bühnen- und Kostümbildner Thomas Döll hatte mit der obligatorischen Show-Treppe, stimmungsvollen Video-Einspielungen und einer Mischung aus Männer-WG und Bar-Ambiente den passenden Rahmen geschaffen.
Hier konnten sich die Schmachtigallen als Triller-Boys wieder einmal so richtig austoben. Schon der Eröffnungssong als rappende Kakteen sorgte für Gelächter, eine Einlage von die Muppets-Erkennungsmelodie trällernden Socken schlug in die gleiche Kerbe und auch die leicht zotigen Männergespräche um schwächelnde Spermien oder »Zungenküsse« kamen bestens an. Hitberater wie Udo Lindenberg, die Wildecker Herzbuben oder Heino, die den Triller-Boys einen Besuch abstatten, brauchen die Schmachtigallen im echten Leben sicher nicht. Haben sie doch nicht nur eine großes Repertoire von den Comedian Harmonists über Frank Sinatra bis Reinhard Mey zur Verfügung. Mit Severin Geissler steuert auch ein Mann aus den eigenen Reihen stimmige Arrangements für das Quartett vom höchsten Tenor bis zum tiefsten Bass bei. Zeilen wie »Von der Mosel bis zur Neiße – Liebe ist Scheiße« oder »Von Pohlheim bis Gießen – Liebe ist beschießen« waren so recht nach dem Geschmack des Publikums.Als ebensolcher Glücksgriff erwies sich auch die Band mit Luca Panzarella (Trompete), Dorina Schmander (Saxofon), Andreas Jamin (Posaune), Andreas Sommer (Klavier), Stefan Schneider (E-Bass) und Simon Zimbardo (Schlagzeug). Kein Wunder also, dass die Schmachtigallen ihnen nicht nur auf der Bühne, sondern auch bei den obligatorischen Zugaben am Ende der Show einen Ehrenplatz zuwiesen: Jeweils ein Musiker aus der Band darf sich einen Song als Dreingabe wünschen, sodass jede Vorstellung am Ende ein klein wenig anders ausfallen wird. Anschauen lohnt sich also auch im Wiederholungsfall.
Karola Schepp, 22.11.2016, Gießener Allgemeine Zeitung