Er könnte auch einfach eine der Schnapsdrosseln im Karneval sein, wie er da hereinstolpert, der Blick vernebelt unter der strohgelben Perücke, die Schritte unsicher, die Flasche griffbereit auf dem Podest, das Ivan Dentler im Komödianten - Theater reicht als Spielort für Heinrich Bölls Ansichten eines Clowns. Drei Stufen wie der klägliche Rest einer Showtreppe, ein enggezogener Raum, der die Egozentrik des Helden ebenso andeutet wie seine von gesellschaftlicher Norm, Bigotterie und Obrigkeit begrenzten Möglichkeiten.
Und Hans Schnier, dieser triste Clown, meint es ernst mit seiner Lebens- und Liebeserzählung auf der Bahnhofstreppe in Bonn, die das Theater Die Komödianten in einer von den Erben Heinrich Bölls autorisierten Monologfassung auf die Bühne bringt. Im Beisein des Sohnes René Böll, der nach der Premiere sichtlich angetan in den lang anhaltenden Schlußapplaus einfiel.
Regisseur Christian Lugerth und Ivan Dentler haben den 1963 erschienenen Roman über den Aussteiger Schnier (...) geschickt auf einige Schlüsselepisoden verdichtet. Und Ivan Dentler läßt die Geschichte dieses Clowns als Episodensammlung aus verschiedenen Perspektiven Revue passieren, eingespannt in eine Art Selbstbefragung: "Was bist Du eigentlich für ein Mensch? (...) Zwischen Einst und Jetzt flirrt der Roman, den Böll in einem einzigen erzählten Tag entfaltet; und in Lugerths schnörkellos realistischer Inszenierung verschwimmt Schniers Erleben mit seinen Puzzleteilchen zu verstörender Gleichzeitigkeit. (...) Die religiöse Enge, die Widersprüche und der Muff der Adenauerzeit, in der die Nazis bruchlos ihren Platz fanden, scheinen dabei weniger fern, als man glauben könnte. Und es liegt ein Rest von Aufbegehren darin, wie Dentler diesen ermatteten Widerspenstigen und unverbesserlich Liebesbekümmerten zeigt. Zu klein fürs tragische Endspiel, aber auch größer als die Trauer. Am Ende hat er vielleicht doch eine Aufgabe: "Ich bin ein Clown, ich sammle Augenblicke."
Kieler Nachrichten