Szenische Lesung auf der taT-Studiobühne nimmt Paragrafensammlung unter die Lupe
Wann haben Sie zum letzten Mal das Grundgesetz gelesen? Noch nie? In der Schule? Dabei stehen darin so wichtige Dinge, die unsere Gesellschaft und unseren Alltag mitprägen. Das hat die Schauspielerin und Regisseurin Astrid Jacob zum Anlass genommen, diese Sammlung von Gesetzesartikeln unter die Lupe zu nehmen, nicht unter die juristische, sondern unter die alltagstaugliche. Am Tag der deutschen Einheit hatte die szenische Lesung auf der taT-Studiobühne Premiere.
48. Auflage vergriffen
Wer hat diese Verfassung ins Leben gerufen? Die Frage könnten ältere Mitmenschen durchaus noch beantworten. Aber dass bald die 48. Auflage davon erscheint, das ahnen wohl nur die Fachleute. Im Übrigen ist die aktuelle Auflage derzeit vergriffen. Der Plan einige Exemplare nach der Vorstellung als Kaufangebot zu präsentieren, musste auf die nächsten Vorstellungen verschoben werden. Das Grundgesetz als Bestseller, wer hätte das gedacht.
Das Grundgesetz ist die Festschreibung der obersten Grundwerte der Demokratie. Und in einem liberalen Rechtsstaat bedarf es immer wieder der Auslegung und der öffentlichen Diskussion über diese zu schützenden Werte, daher die vielen überarbeiteten Auflagen. Die Lesung wird von Astrid Jacob moderiert, die Schauspieler Ewa Rataj, Paula Schrötter und Sebastian Songin intonieren das teils hochkomplexe Paragrafendeutsch und kommentieren das Gelesene auch schon mal. Zur Moderation gehört die Einbindung in die Zeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Da ist zu erfahren, dass die Hessische Verfassung schon 1947 erstellt wurde und damit die erste war, zudem in das bundesweit geltende Grundgesetz eingeflossen ist. Und natürlich die Tatsache, dass es den wenigen Müttern des Grundgesetzes, allen voran der Kasseler Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Selbert, zu verdanken ist, dass der Satz »Männer und Frauen sind gleichberechtigt« aufgenommen wurde.
Zum szenischen Teil gehörte ein amüsanter Gedichtvortrag zu zwei Fetzen Stoff, von denen der eine zur Fahne, der andere zum Bettlaken wurde. Und ein leicht anzüglicher Text zum Verliebtsein in das Grundgesetz, das sich doch so vielen hingibt.
Weitere Vorstellungen folgen am 26. Oktober und 24. November, jeweils um 20 Uhr in der taT-Studiobühne.
Dagmar Klein, 10.10.2017, Gießener Allgemeine Zeitung