Zuweilen vermögen Programmänderungen den Horizont zu bereichern: Dass beim zweiten Kammerkonzert am Sonntagvormittag im Theater Franz Schuberts Streichquartett »Der Tod und das Mädchen« ausfiel, schien nicht nachteilig, zumal Musiker des Philharmonischen Orchesters mit Antonin Dvoráks »Amerikanischem Quartett« einen anderen Dauerbrenner dieser Gattung darboten. Vielmehr bildeten zwei Sätze aus der weniger omnipräsenten Sonate für zwei Violinen C-Dur op. 56 von Sergej Prokofjew einen ebenbürtigen Ersatz. So entlockten Gowoon Baek und Yi Xiao beim eröffnenden Andante den elegischen Kantilenen magische Sogkraft in ihrer feinsinnigen, Abgeklärtheit verströmenden Interpretation. Gleichermaßen klanglich transparent geriet das folgende Allegro, das raffiniert rhythmische Schroffheit mit schicksalhaftem Ernst verband.
Virtuoses Klarinettenspiel
Baek wurde in Bernhard Crusells Quartett Es-Dur op. 2 Nr. 1 verstärkt durch Klarinettist Thomas Orthaber, Bratschistin Karolina Rybka und Cellist Attila Hündöl. Hier gelangen schon die einleitenden Unisono-Takte ausdrucksvoll, im weiteren Verlauf rückte Orthaber ins Zentrum mit seinem schattierungsreichen, dabei sehr virtuosen Spiel. Die deutlich an Mozart erinnernde Komposition barg hohen Unterhaltungswert, so flexibel gingen die Künstler aufeinander ein, lenkten zudem ihr Augenmerk auf elegante Übergänge. Von bewegender emotionaler Tiefe war die Musik im langsamen zweiten Satz. Ungetrübtes Vergnügen boten auch die nachfolgenden schnellen Sätze, in denen vor allem die natürliche wie schwerelose Spielweise des Klarinettisten im Gedächtnis blieb.
Streichquartett verliert kaum an Reiz
Obwohl Dvoráks Streichquartett F-Dur op. 96 häufig aufgeführt wird, verliert es angesichts des Stimmungsreichtums und der eingängig stilisierten Folklore-Elemente kaum an Reiz. Zumindest dann nicht, wenn es, angeführt vom Konzertmeister Jiri Burian, derart beseelte Musiker zu Gehör bringen wie im Theaterfoyer. Mit der weitläufigen, den großen Bogen schlagenden Interpretation rundete das Ensemble die hörenswerte Matinee ab und erntete herzlichen Beifall.
Sascha Jouini, 15.01.2018, Gießener Allgemeine Zeitung