Hörenswerte Entdeckungen bot das vierte und letzte Kammerkonzert am Sonntagvormittag im Theaterfoyer. Zu der Pariser Komponistin Louise Farrenc (1804 bis 1875) merkt Cornelia Bartsch in einem biografischen Kommentar an, sie sei »zur falschen Zeit am falschen Ort geboren« – da sie weder Opern schrieb noch als Klaviervirtuosin öffentlich besonders hervortat, sei ihr der große Erfolg verwehrt geblieben. Carol Brown (Flöte), Attila Hündöl (Cello) und Evgeni Ganev (Klavier) widmeten sich hingebungsvoll Farrencs Trio e-Moll op. 45. Mit geballter Kraft spielten sie die dramatischen Anfangstakte, im weiteren Verlauf des Allegro-Kopfsatzes riss der vorantreibende Schwung mit. Die musikalischen Bögen zeichneten die Künstler fein aufeinander abgestimmt. Lyrische Momente faszinierten ebenso wie spannungsreiche dynamische Spitzen. Sanftmut verströmte die sangbare Flötenmelodie im Andante und wurde vom Cello und Klavier reizvoll untermalt. Streckenweise übernahm auch das Streichinstrument eine führende Rolle. Erfrischenden Übermut strahlte die rasche Bewegung im Scherzo aus; die Trio-Teile sorgten hier für ausgleichende Ruhepunkte. Beim Presto-Finale konnten die Musiker noch einmal mit großer Spielfreude auftrumpfen, zogen dabei stets am selben Strang.
Auch für Albert Roussels Werk wäre eine stärkere Beachtung, vor allem außerhalb Frankreichs wünschenswert. Dessen vier Duostücke »Joueurs de Flûte« op. 27 erwiesen sich als kontrastreiche, stimmungsintensiv gemeisterte Porträts mythischer beziehungsweise literarischer Figuren, zugleich als schillernde Hommagen an Flötenvirtuosen des frühen 20. Jahrhunderts. Insgesamt beeindruckte die lebhafte Fantasie, mit der Brown und Ganev den musikalischen Porträts Gestalt verliehen.
In eine ganz andere Klangwelt entführte nach der Pause das Trio op. 86 des 1937 geborenen ukrainischen Komponisten Nikolai Kapustin. Dieses verband auf originelle Weise jazzige mit klassischen Ausdrucksformen. Schon im Eingangssatz sprengte die Musik unverkrampft-locker Genregrenzen und gefiel gerade durch den flexibel gehandhabten Rhythmus. Das vergnügsame Trio bildete einen würdigen Saisonausklang, derart inspiriert brachte das Ensemble den unorthodoxen Stil zur Geltung. Wurde es im Andante etwas schwermütig, so wischte das fröhliche Allegro-Finale die Trübseligkeit im Nu beiseite. Für das niveauvolle Konzert spendeten die Besucher lang anhaltenden Beifall.
Sascha Jouini, 18.06.2018, Gießener Allgemeine Zeitung