Auf der taT-Studiobühne begeistert das Stück »Himmel und Hände« Kinder ab vier Jahre. Geschrieben hat es Carsten Brandau. Im Interview erzählt er, was ihm bei Theater für die kleinen Zuschauer wichtig ist.
Was macht ein gutes Kinderstück aus?
Carsten Brandau: Es braucht den Mut, die Kinder mit der Sprache zu fordern und auch ein Stück weit zu überfordern.
Dieser Anspruch wird in »Himmel und Hände« deutlich. Manche Sätze wirken wie gespiegelt. Muss Sprache im Kinderstück nicht besonders verständlich sein?
Brandau: Das Schreiben für Kinder ist bei mir durch meine eigenen Kinder entstanden. Ich war überrascht von ihrem Sprachpotenzial, wie sie spielerisch mit Sprache umgehen. Daher denke ich, dass Kinder kein Problem mit einer Sprache haben, die damit spielt. Eine Alltags- oder Jugendsprache zu imitieren, funktioniert im Theater nicht. Kinder empfinden das als Anbiederung. Ich nutze die Kunstsprache als Einfallstor.
Schreiben Sie gezielt für eine bestimmte Altersklasse?
Brandau: Ich habe angefangen, für Vierjährige zu schreiben, als meine Kinder so alt waren. Jetzt kommt ihr Pubertätsalter und ich merke, dass ich da nicht so ran komme. Ich kann dazu nichts erzählen. Mir gefällt, dass ich bei Stücken für Kinder ab vier sehr klar mit Sprache arbeiten kann. Ab zehn Jahren ist eine ganz andere Art von Theater gefragt, viel thematischer. Und mit Themen zu arbeiten interessiert mich auch nicht in meinen Erwachsenenstücken.
Steht erst die Geschichte und folgt dann die Überlegung, für welches Alter das Stück geeignet ist?
Brandau: Dramaturgen wollen Stücke zu bestimmten Themen, wie in »Himmel und Hände« das Thema Einschulung. Das habe ich in dem Fall sogar selbst vorgeschlagen, weil eines meiner Kinder zu dem Zeitpunkt eingeschult wurde und mich das beschäftigt hat. Anfang jeder Geschichte ist für mich meist ein Satz, so wie in »Himmel und Hände« der Befehl »Schluss damit« und die Antwort »Ich habe doch gerade erst angefangen«.
Kann man Kinder ab vier im Theater mit schwierigen Themen konfrontieren?
Brandau: Im Theater sollte es keine Tabus geben. Es ist zum Beispiel toll, wenn auch ganz große Gefühle wie Einsamkeit oder der Tod auf der Bühne verhandelt werden.
Für Kinder gibt es sehr schöne Theaterstücke, Jugendliche fallen leicht aus dem Raster. Theater gilt vielen in der Pubertät als eher uncool.
Brandau: Da weiß ich aber leider auch keine Lösung. Ich sehe bei meinen eigenen Kindern, dass sie Theater in der Pubertät nicht wirklich erreicht und interessiert. Das Handy und andere Medien spielen eine größere Rolle. Aber wenn Jugendliche selber auf der Bühne spielen, scheint es zu funktionieren; auch bei jugendlichen Zuschauern.
Wie kann man Kinder ins Theater bekommen, wenn es von den Eltern keine entsprechende Unterstützung gibt?
Brandau: Kindertheater versucht ja oft, zum Publikum hinzugehen und unterwegs zu sein. Für mich ist das Theater aber auch ein Ort der Magie. In einer Fußgängerzone fehlen das Gebäude, der Theaterdunst. Dabei verliert Theater leicht ein bisschen von seinem Zauber, wird zum Dienstleister. Ich liebe einfach Theater, wenn es nicht dieses Pädagogische und Moralische hat, sondern ein bisschen mehr in Richtung Zirkus tendiert.
Helfen Auszeichnungen wie ihr Mühlheimer Kinderstückpreis dabei, mehr Aufträge zu bekommen?
Brandau: Es war für mich schon schwer, als Kindertheaterautor Fuß zu fassen. Es hat bei mir ein paar mehr Preise gebraucht – und besondere Inszenierungen wie die von »Dreier steht Kopf« in Mannheim, die das korsetthafte Sprachspiel in eine haptische, greifbare Situation im Theater umgesetzt hat. Preise haben Aufmerksamkeit geschaffen, aber in erster Linie bringen es die Inszenierungen. Dass mir beim Mühlheimer Theaterpreis nicht nur die Fachjury, sondern auch eine Kinderjury als meine Zielgruppe einen Preis verliehen hat, war aber der Hammer.
Karola Schepp, 17.11.2017, Gießener Allgemeine Zeitung