Ein Theaterstück wie ein Edgar-Wallace-Film in Schwarz-Weiß: Regisseur Wolfgang Hofmann inszeniert den neuesten Auftritt der Schmachtigallen im Stil der 50er/60er-Jahre Straßenfeger.
Endlich Farbe« flüstert ein Zuschauer am Ende der Vorstellung seiner Sitznachbarin zu, als mit dem Applausauftritt des Regieteams nach gut 90 Minuten Schwarz-Weiss-Theater doch noch echte Hauttönung und dezent-farbige Bekleidung zu sehen sind. Doch dass er und die anderen Theaterbesucher sich in den eineinhalb Stunden zuvor prächtig amüsiert haben, kann diese Bemerkung nicht trüben. Denn auch wenn Regisseur Wolfgang Hofmann bei »Unter Verdacht« mit Bühnenbild und Kostümen (von Lukas Noll und Thomas Döll) den singenden Schmachtigallen jegliche Farbe genommen hat – sogar die Glut im Kamin und der Sekt sind Teil des ungewöhnlichen »Thousand shades of grey«-Stils – bleibt das Gesamtbild alles andere als blass. »Beste Schmachtigallen-Unterhaltung« hatte Hofmann seinem Publikum versprochen und Wort gehalten.
»Mord a cappella« heißt die Krimikomödie nach Madeleine Giese, von Hofmann für die Stadttheaterbühne konsequent im Stil eines Schwarz-Weiss-Fernsehkrimis eingerichtet, im inoffiziellen Untertitel und genau darum geht es. Das kultige Gesangsquartett – mit Jan Hoffmann, Martin Ludwig, Severin Geissler und Roland Furch vom höchsten Tenor bis zum tiefsten Bass überzeugend besetzt – kehrt mit dieser Produktion wieder zurück zu seinen Wurzeln. Der gepflegte vierstimmige Gesang kommt ohne den großen Instrumentalsound früherer Produktionen zur Geltung – lediglich Klavier, Bass/Gitarre und Schlagzeug (letztere sogar aus dem Off) – begleiten dezent.
Komisch-spannende Kriminalgeschichte
Alles, was auch nur irgendwie musikalisch an Gesangseinlage in die komisch-spannende Kriminalgeschichte passt, hat Severin Geissler für die Schmachtigallen arrangiert. Von Hildegard Knefs »Sei mal verliebt« über Michael Bublès »Feeling good«, von der England/Wales-Hymne »Jerusalem« bis zu »Am Brunnen vor dem Tore« – alles singen die Meister des Schmachtens unter dem Beifall der Zuhörer. Kunstlied, Barbershop-Songs, Comedian Harmonists-Klang – hier gibt es alles. Und natürlich dürfen auch der »Kriminaltango«, der Gassenhauer wie »Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett« oder sogar die »Mission impossible«-Titelmelodie nicht fehlen. Ein bisschen wirkt das, als könnte tatsächlich nur ein Mord die Schmachtigallen davon abbringen, alles, aber auch wirklich alles mit einem schmissigen Lied zu kommentieren.
Schauspielerin Marie-Luise Gutteck fügt sich in die ansprechende Revue von A-cappella-Gesangseinlagen bestens ein. Als mürrische Hausangestellte Gretchen, mit dem Charme einer Gefängniswärterin, oder scheinbar liebreizende Millionärswitwe Maggie macht sie den Schmachtigallen das Leben schwer. Schließlich sind die auf ein einsames Schloss im schottischen Hochland eingeladen, weil sie dort angeblich ihre Weltkarriere als »Schmachtigallen International« starten können. Doch eben nicht in der aktuellen Besetzung.
Ob die Schmachtigallen tatsächlich einen ihrer Freude opfern, wer am Ende stirbt und warum der blinde, taube und stumme Klavierspieler Klaus (Andreas Sommer) als heimlicher Star der Vorstellung die ganze Zeit über sein Klavier mit einem Tuch wienert – das sei an dieser Stelle nicht verraten. Schließlich kann »Unter Verdacht« auch mit Krimispannung und überraschenden Wendungen punkten.
Das Fazit des Abends fällt durchweg positiv aus: Wer alte Edgar-Wallace-Filme mag, ist hier bestens bedient. Wer sich gut unterhalten lassen will, ebenfalls. Und wer für den Gesang und die breit aufgestellte Musikauswahl der Schmachtigallen schwärmt, darf ungehindert ins Schmachten zu geraten.
Karola Schepp, 15.10.2018, Gießener Allgemeine Zeitung