Am Donnerstagabend feierte das Stück »De Rerum Natura« im taT Premiere. Die 80-minütige Raumkomposition beansprucht über ihre Laufzeit die volle Konzentration der Zuschauer, die sich auf eine herausfordernde Aufführung einlassen müssen.
De Rerum Natura beginnt mit einer Stimme aus dem Off, die einen philosophischen Text über unsere Existenz verliest. Nach einigen anregenden Worten gibt das langsam angehende Licht die Sicht auf eine Bühne und seltsame, sich auf ihr befindliche Gerätschaften frei. Ein aus Becken, einer großen Trommel und einem noch größeren Gong bestehendes Schlagzeug teilt die Bühne mittig. Eine Tischtennisballschussmaschine steht gegenüber dem Instrument im Publikum und wird dort von einer anfangs als Publikumsmitglied getarnten Mitarbeiterin des Stadttheaters bedient.
Die kleinen weißen Kugeln, die die vorher philosophisch beschriebenen, alles umfassenden Atome repräsentierten, schießen in einem anhaltenden Rhythmus auf die diversen Bestandteile des Schlagwerkes. Diejenigen, welche treffen, erzeugen so einen klopfenden, beständigen Rhythmus. Einige Tischtennisbälle werden, trafen sie das zentral positionierte Requisit nicht, von dem von einem mit einer Pinguinmaske verkleideten gehaltenen Gong abgefangen.
Die wirklich sehr künstlerische, zu Interpretation und Nachdenken anregende erste Szene wird abgelöst von drei weiteren Figuren, einem Mann und zwei Frauen, die allesamt gleich in einer glänzend weißen Uniform gekleidet sind. Diese drei durchliefen durch das Stück hindurch einige Metamorphosen aus Kostümwechseln, genau, wie sich auch die Szenerie immer weiter anpasst. Visuell fordernd ist das Stück also allemal, immer wieder gibt es neue Anforderungen für die Augen. Dies ist aber trotzdem nicht das Einzige, mit dem das Publikum sich beschäftigen muss. Die immer wiederkehrenden Ausschnitte aus philosophischen Schriften finden sich widergespiegelt in der dramaturgischen Umsetzung und den rapiden szenischen Wechseln. Allesamt basierend auf Texten und Ideen des Existenzphilosophen Lukrez. De Rerum Natura, Namensgeber des Stückes und gleichzeitig eines von Lukrez’ Naturgedichten aus dem Jahr eins vor Christus, wird im taT mit kreativem und künstlerischem Feingefühl umgesetzt und zeigt sich in seinem vollen Ausmaß als avantgardistisches, postdramatisches Theater, welches Gießens dramaturgischen Kanon eine interessante und durchaus intellektuelle Note verleiht. Weitere Aufführungen am 26. April und 16. Mai.
Carla Mende, 13.04.2019, Gießener Allgemeine Zeitung