Breakdance funktioniert auch auf der Bühne des Großen Hauses im Stadttheater
Am Ende ging es noch einmal so richtig zur Sache: Mit einer spontanen Free-Style-Nummer als Zugabe zeigten die Tänzer, dass Breakdance nicht nur auf der Straße funktioniert, sondern auch auf der Bühne des Großen Hauses im Stadttheater Gießen. Die Heldin Cara Hopkins aus dem Klassischen Genre glänzte mit einer atemberaubenden Pirouette, und das Publikum ließ sich gern zum Klatschen bewegen. In dieser begeisterten Stimmung fiel der Applaus für die Akteure des Gastspiels „Dreamscapes“ besonders herzlich aus.
Zu sehen war ein modernes Märchen, angesiedelt irgendwo im Land der Fantasie und der Träume, wie es an dem schlichten, doch wirkungsvollen Bühnenbild aus großen Papierblumen und ausgeklügelter Beleuchtung zu erkennen war. Ein modernes Märchen mit Live-Musik (Robin Becker, Piano und Friedel Lelonek, Schlagzeug), orientiert an Science-Fiction-Filmen und alten Legenden.
Nur wenig Licht am Anfang: Zwei Wanderer landen in einer Traumwelt und entdecken, dass sie die magische Fähigkeit des Tanzens besitzen. Dominik Blenk und Markus Heldt begeistern von Anfang an die Zuschauer mit ihrer gelungenen Choreographie. Die beiden sind auch als „Hot Potatoes“ bekannt und haben schon jede Menge Preise abgesahnt. Vor drei Jahren standen sie bereits in einer Opernproduktion des Stadttheaters Gießen auf der Bühne.
Jetzt also Dreamscapes: Die Freude der Wanderer währt nur kurz, plötzlich steht den beiden eine böse Gestalt gegenüber: Es ist „Angst“ mit seinem Gefolge, der die beiden friedlichen Wanderer böse attackiert. Unter der schwarzen Maske steckt der Schauspieler und Tänzer Masi Aziz, der sich, ganz anders als es seine Rolle auf der Bühne erwarten lässt, neben dem Training in verschiedenen Tanzcrews auch sozialen Projekten widmet.
Doch in der Traumwelt gibt es natürlich auch das Gute: Die Wanderer entdecken bald die zarte Feengestalt „Fantasie“ und sind bezaubert von ihr. Die aus Australien stammende Tänzerin Cara Hopkins studierte an der Royal Academy of Dancing und ist ebenfalls schon vielfach ausgezeichnet. Als zarte „Fantasie“ bringt sie den tänzerischen Kontrast in das Ensemble aus Hip Hop-Tänzern und Breakdancern. Durch ihre eigene Choreographie erschafft sie die gute Kraft, die der Dunkelheit gegenübersteht. Denn das Dunkle gilt es zu überwinden. „Fantasie“ und die „Wanderer“ holen „Abenteuer“ zu Hilfe. Der energiegeladene Rabauke bringt drei treue Freunde mit, und nach einem allgemeinen Kräftemessen sind sich alle einig, dass der unheimliche Kontrahent unbedingt besiegt werden muss. „Abenteuer“, das ist Muharem Demiri, mehrfacher Deutscher Breakdance Meister, diesmal in ein exotisches Phantasiegewand gehüllt, jederzeit präsent mit Akrobatik und Power-Moves. Sein Gefolge besteht aus Daniel Winterstein, Mohamad Karkora und Thai Dao Trinh Duc, die in wechselnden Szenen auch die Gefolgschaft der „Angst“ verkörpern. Eine internationale Truppe, die mit ihrem gemeinsam erarbeiteten Stück glänzt.
Nach der Pause steigt die Spannung weiter an. „Fantasie“ schickt alle los, um den Feind zu finden, doch plötzlich steht „Angst“ hinter ihr, ringt sie nieder und lässt sie leblos liegen… Doch das Gute muss siegen, in einer Geschichte wie „Dreamscapes“ auf jeden Fall. „Fantasie“ schafft es letztendlich, die erstarrten Freunde aus der Bewegungslosigkeit zu befreien und „Angst“ die Maske vom Gesicht zu reißen…Der Bösewicht erkennt sein wahres Ich und kann sogar die bösen Seiten in sich besiegen. Am Ende sind alle happy.
Bemerkenswert, wie gut das Zusammenspiel von Hip Hop, Breakdance und Klassischem Ballett funktioniert hat. Das liegt auch an den emotionalen Kompositionen der beiden Musiker, die geschickt für alle Tanzarten die passenden Rhythmen liefern und mit elektronischer Musik ergänzen. Ob fulminante Hip Hop Sounds oder zarte Piano-Klänge, die beiden Musikstile ergänzen sich bruchlos zu einem harmonischen Ganzen. Von dieser Einheit profitiert die Choreographie, die für die Tänzer eine wunderbare Ebene geschaffen hat, die verschiedenen Tanzschritte und Bewegungsabläufe zu einer Einheit zu verschmelzen.
Das gefiel auch dem Publikum. Viel Applaus für das junge Ensemble vom Main. Und wie erwähnt: Die Free-Style-Nummer zum Abschluss bildete die Krönung.
Ursula Hahn-Grimm, 22.10.2018, Gießener Anzeiger