Michael Quast liest, singt, spielt, tanzt Operette von Jaques Offenbach
Köstlich, köstlich…Die Operette „Pariser Leben“, von Jaques Offenbach 1867 anlässlich der Weltausstellung in der Seine-Metropole komponiert, bietet einen schier unerschöpflichen Reichtum an wunderbaren Melodien. Michael Quast ist genau der richtige Sänger und Entertainer, sie einem kunstsinnigen Publikum nahezubringen. Er schafft es tatsächlich, das Musikstück mit zahlreichen Solorollen und Instrumentalisten als Einzelner auf der Bühne zu präsentieren, lediglich am Flügel unterstützt von Rhodri Britton. Dass dieses Konzept tatsächlich aufgeht, zeigte sich am Samstagabend im Großen Haus des Stadttheaters. Das Publikum war hin und weg und applaudierte lange.
Dabei hatte alles gar nicht so einfach begonnen. 1. Szene: Bahnhofshalle in Paris. Natürlich, beim Imitieren der Geräusche eines bremsenden Zuges und schlagender Türen ist Michael Quasts Stimme wirklich hörspielgeeignet. Seine ersten Produktionen hatten beim Hörfunk stattgefunden. So weit, so gut, dann folgen aber schnell hintereinander die vielen Namen, noch dazu en francais und anderen Sprachen. Es „treten auf“, natürlich nur in der Stimme von Michael Quast und in der Phantasie des Zuschauers: Die schwedischen „Touristen“ Baron und Baronin Gondremark, der Pariser Lebemann Raoul de Gardefeu, sein Freund Bobinet, ein reicher Brasilianer, die Handschuhmacherin Gabrielle, der Schuster Jean Frick, Prosper, die drei kichernden Nichten, Madame des Quimper-Karadec und, und, und.
„Heissassa, so ist das Pariser Leben, Wonne und Frohsinn herrschet da“: Das Spiel nimmt rasant an Fahrt auf. Für alle Besucher, die das „Pariser Leben“ von Jaques Offenbach noch nicht kannten (es ist auf den heutigen Spielplänen nicht allzu oft zu finden) war also höchste Konzentration angesagt, als die wichtigsten Protagonisten schon auf dem Bahnsteig zusammentreffen und die ersten Pläne geschmiedet werden. Der schwedische Baron will das Pariser Leben einmal so richtig genießen, und der Lebemann Gardefeu will ihm das ermöglichen, in einer vertauschten Wohnung mit falschen Gästen. Eine bunte Truppe aus dem Dienstboten- und Rotlichtmilieu spielt mit Begeisterung und Hingabe die feine Gesellschaft. „Wenn wir die Herrschaft spielen, haben wir kein Personal mehr“. Wohl wahr, deshalb wird das Personal im Spiel nach Hause geschickt. Der Baron merkt in seiner Bier- und Champagnerlaune nichts davon. Als die deutschstämmige Handschuhmacherin Gabrielle einen echten Jodler anstimmt, von Michael Quast wirklich hervorragend intoniert, hält das der Schwede für echt französische Lebensart. Auch an dieser Stelle, wie bei vielen anderen Arien und Duetten begeisterter Zwischenapplaus für Michael Quast.
Ganz köstlich zum Beispiel das Lied der jungen Frauen, wie sie sich kichernd auf Stöckelschuhen für den großen Auftritt fertig machen. Diese Nummer gelang Michael Quast besonders gut, sozusagen ein „Männerballett“ solo.
Immer wieder beeindruckend sind die Musikalität und die wunderbare Stimme von Michael Quast. Von Sopran (zwar nur gepiepst) bis Bass ist alles drin. Auch das hat er von der Pike auf gelernt: Er studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, neben der Schauspielerei blieb die Oper immer im Zentrum seiner Vorlieben. Er ist Mitbegründer der Fliegenden Volksbühne in Frankfurt und des „Sommerfestivals „Barock am Main“ in Frankfurt-Höchst. Bereits mehrfach war er mit großem Erfolg in Gießen zu erleben, beispielsweise in dem überaus komischen Musikstück „Don Giovanni a trois“ oder mit einem weiteren Offenbach-Programm „Orpheus in der Unterwelt“.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, sollte am 29. Juni in die Nachbarstadt Wetzlar ins Rosengärtchen fahren: Dort ist Michael Quast mit seinem „Barock am Main-Ensemble“ in der Mundartkomödie „Horribilis von Huckevoll“ zu erleben, frei nach Motiven des Barockdichters Andreas Gryphius.
Ursula Hahn-Grimm, 17.06.2019, Gießener Anzeiger