Examenskonzert in der Uni-Aula mit drei Absolventen der Frankfurter Hochschule für Musik
Bei den Gießener Examenskonzerten lassen sich regelmäßig hochtalentierte junge Musiker inmitten einer Prüfungssituation erleben. Diesmal stand für drei junge Absolventen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt Musik von Mozart, Donizetti, Glière und Brahms auf dem Programm. Begleitet wurden sie in der Aula der Justus Liebig Universität (JLU) vom Philharmonischen Orchester Gießen unter der Leitung von Martin Spahr.
Der Konzertabend begann mit einer Orchesterfassung der „Vier ernsten Gesänge“ aus dem Jahr 1896 von Johannes Brahms. Sein Alterswerk nannte er scherzhaft seine „gottlosen Schnadahüpferln“. Beim Examenskonzert sang der Bassbariton Yongmin Hong diesen eindringlichen Liederzyklus auf Texte der Bibel. Schon das erste Lied „Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh“ wartete mit einer dunklen, herben Tonsprache auf, die der Solist und das Orchester eindringlich in Klang umsetzten. Das Stück beschwor den Gedanken des Menschen an seine Vergänglichkeit (Vanitas). Yongmin Hong sang seine Partie mit sonorer und ausdrucksvoller Stimme. Das Orchester spielte in guter Klangverschmelzung mit dem Solisten, Spahr dirigierte temperamentvoll und umsichtig. Vor dem abschließenden Lobpreis der Liebe aus dem ersten Korintherbrief beschwört Brahms im dritten Gesang das Reich des Todes. Der Bassbariton interpretierte seinen Part klangschön und melancholisch.
In einer anderen Welt
In eine andere Welt führte die Harfenistin Solenn Grand das zahlreiche Publikum mit Reinhold Glières Konzert für Harfe und Orchester. Die fahlen Akkorde des Beginns wurden in der Harfe von klanglich reizvollen, poetischen Klängen beantwortet. Solenn Grand spielte die Harfenpartie unter Wahrung eines großen Spannungsbogens klangschön und expressiv. Das blühende Melos des zweiten Satzes mit seinen Variationen gefiel dem gespannt lauschendem Publikum sichtlich. Glières Verbeugung vor der musikalischen Klangwelt der Spätromantik stellte seine Anspielung auf den Kopfsatz von Brahms vierter Sinfonie dar.
Die Arie „Alma grande e nobil Core“ schuf Mozart als Einlagearie für die Oper „I due Baroni di Rocca Azzura“ des italienischen Komponisten Domenico Cimarosa. Die emotional aufgewühlte Buffoarie exponiert schon in den ersten Orchestertakten die aufgebracht gesungene Klangwelt Mozarts in der Interpretation durch die Sopranistin Ye Eun Choi und das Gießener Orchester. Dabei enthält diese Konzertarie in sich einen kleinen Kosmos menschlicher Leidenschaften und Gefühle, den die Sopranistin temperamentvoll zum Klingen brachte.
Abschließend musizierte die Sopranistin gemeinsam mit dem Orchester eine Arie aus Donizettis bekanntester Oper „Lucia di Lammermoor“. Die hochexpressive Gesangsstimme schritt wie eine Königin über den vom Orchester ausgebreiteten Klangteppich. Der schnelle Wechsel von lyrischer zu dramatischer Geste, der die Arie insgesamt auszeichnete, schloss die Klangsphäre dieser Oper en miniature in sich. Das zahlreiche Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem Beifall.
Reinhard Fiedler, 17.05.2019, Gießener Anzeiger